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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Dämpfe aus dem Wasser und lösen furchtbare Unwetter aus. Eine andere Erzählung geht auf den Sommer 1840 zurück, der besonders trocken war. Ein Müller aus dem Dorf Montségur, der verzweifelt auf Regen wartete, stieg den Tabe hinauf und warf eine lebendige Katze in den See. Das Tier strampelte und kämpfte wie ein Dämon, was den Teufel so erboste, dass er es die folgenden zwei Monate in den Bergen regnen ließ.«
    Anatole lehnte sich zurück und legte einen Arm auf die Rückenlehne des Sofas. Im Kamin prasselte und knackte ein munteres Feuer. »Was für ein abergläubischer Unfug!«, sagte er gutmütig. »Mir tut es schon fast leid, dass ich dir so ein Buch in die Hände gegeben habe.«
    Léonie verzog das Gesicht. »Mach dich nur lustig, aber an solchen Geschichten ist immer ein Körnchen Wahrheit.«
    »Sehr richtig, Léonie«, sagte Isolde. »Mein verstorbener Gatte interessierte sich sehr für die Legenden, die mit der Domaine de la Cade zu tun hatten. Seine besondere Leidenschaft galt der Zeit der Westgoten, aber er und Monsieur Baillard unterhielten sich manchmal bis tief in die Nacht über alle möglichen Themen. Manchmal gesellte sich auch der Curé aus unserem Nachbardorf Rennes-le-Château dazu.«
    Plötzlich sah Léonie vor ihrem geistigen Auge ein Bild der drei Männer vor sich, wie sie die Köpfe über ihren Büchern zusammensteckten, und sie hätte gern gewusst, ob Isolde sich wohl manchmal ausgeschlossen gefühlt hatte.
    »Abbé Saunière.« Anatole nickte. »Heute Nachmittag, auf der Fahrt von Couiza hierher, hat Gabignaud von ihm gesprochen.«
    »Trotz alledem«, fuhr Isolde fort, »könnte man dennoch sagen, dass Jules in Monsieur Baillards Gegenwart immer ein wenig vorsichtig war.«
    »Vorsichtig? Inwiefern?«
    Isolde winkte mit ihrer schlanken Hand ab. »Ach, vielleicht ist
vorsichtig
das falsche Wort. Fast ehrfürchtig. Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll. Er hatte großen Respekt vor Monsieur Baillards Alter und Wissen, aber seine Weisheit schüchterte ihn auch irgendwie ein wenig ein.«
    Anatole füllte die Gläser auf und läutete dann, um eine weitere Flasche bringen zu lassen.
    »Sie sagten, Baillard wohnt hier in der Gegend?«
    Isolde nickte. »Er hat eine möblierte Wohnung in Rennes-les-Bains, doch sein Hauptwohnsitz ist irgendwo in den Sabarthès, soweit ich weiß. Er ist ein außergewöhnlicher aber sehr zurückhaltender Mann. Er äußert sich nur ausweichend über seine Vergangenheit, und seine Interessen sind vielfältig. Er kennt sich nicht nur mit den einheimischen Überlieferungen und Sagen aus, sondern ist außerdem ein Experte für die Geschichte der Albigenser.« Sie lachte leise. »Jules hat sogar einmal bemerkt, man könne fast glauben, dass Monsieur Baillard bei manchen dieser mittelalterlichen Schlachten dabei gewesen sei, so lebhaft waren seine Schilderungen.«
    Alle drei schmunzelten.
    »Es ist zwar nicht die beste Jahreszeit dafür, aber vielleicht möchten Sie sich einige Wehrburgruinen anschauen?«, sagte Isolde zu Léonie. »Falls das Wetter es zulässt.«
    »Sehr gern.«
    »Und ich werde Sie beim Diner am Samstag neben Monsieur Baillard setzen, damit Sie ihn nach Herzenslust zu Teufeln und Aberglauben und den Mythen der Berge befragen können.«
    Léonie nickte und dachte an Monsieur Baillards Erzählungen. Auch Anatole schwieg. Eine andere Stimmung war in den Raum gedrungen, hatte sich in einem unbemerkten Moment in die unbeschwerte Plauderei eingeschlichen. Eine Weile waren nur das Ticken der goldenen Zeiger der Standuhr und das Knistern der Flammen im Kamin zu hören.
    Léonie merkte, wie ihr Blick unwillkürlich zu den Fenstern glitt. Die Läden waren geschlossen und sperrten den Abend aus, und doch spürte sie die Dunkelheit um sie herum. Sie schien eine lebendige, atmende Präsenz zu haben. Es war nur der Wind, der um die Ecken des Hauses pfiff, aber Léonie kam es so vor, als würde die Nacht selbst flüstern und die alten Geister des Waldes herbeirufen.
    Sie sah zu ihrer Tante hinüber, schön in dem weichen Licht, und so still.
    Spürt sie es auch?
    Isoldes Gesichtsausdruck war friedlich, ihre Züge entspannt. Léonie hätte unmöglich sagen können, was sie dachte. In ihren Augen flackerte keine Trauer um den verlorenen Gatten. Und auch kein Hauch von Unruhe oder Angst vor dem, was vielleicht außerhalb der Steinmauern des Hauses umging.
    Léonie schaute nach unten auf den Rest Blanquette in ihrem Glas und leerte es dann in einem Zug.
    Die

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