Die achte Karte
Internatsschüler!«
Er betrat das Hotel.
»Trink was und schlaf dich aus«, sagte er. »Wir unterhalten uns dann morgen früh.«
Hal stürmte an ihm vorbei. »Es gibt nichts mehr zu reden«, sagte er. »Du weißt, was ich denke. Und egal, was du sagst oder tust, ich werde meine Meinung nicht ändern.«
Er bog nach rechts und strebte Richtung Bar.
Sein Onkel wartete einen Moment, sah ihm nach, bis die Glastür zwischen ihnen zugefallen war. Dann ging er hinüber zur Rezeption.
»’n Abend, Eloise. Alles klar?«
»Sehr ruhig heute Abend.« Sie lächelte mitfühlend zu ihm hoch. »Beerdigungen sind nicht ohne, was?«
Er verdrehte die Augen. »Da sagen Sie was«, erwiderte er. Er legte die Hände auf den Tisch zwischen ihnen. »Irgendwelche Nachrichten?«
»Nur eine«, sagte sie und reichte ihm einen weißen Umschlag. »Aber in der Kirche ist alles gut verlaufen, oder?«
Er nickte grimmig. »So gut, wie man das unter den Umständen erwarten durfte.«
Er blickte auf die Handschrift auf dem Umschlag. Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es war die langerwartete Information über eine westgotische Grabkammer, die in Quillan entdeckt worden war und die, so Julians Hoffnung, für seine Ausgrabungen auf dem Gelände der Domaine de la Cade von Bedeutung sein könnte. Die Ausgrabungsstätte in Quillan war versiegelt, und bislang war noch kein Verzeichnis der Funde veröffentlicht worden.
»Wann ist das gekommen, Eloise?«
»Um acht Uhr, Monsieur Lawrence. Per Kurier.«
Er trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Ausgezeichnet. Danke, Eloise. Schönen Abend noch. Ich bin in meinem Büro, falls mich jemand braucht.«
»
D’accord.«
Sie lächelte, aber er hatte sich bereits abgewandt.
Kapitel 32
U m Viertel vor zehn war Meredith fertig mit dem Essen.
Sie ging zurück in die geflieste Lobby. Sie war zwar völlig erledigt, aber es hätte keinen Sinn gehabt, jetzt schon ins Bett zu gehen. Sie würde sowieso nicht schlafen können, weil ihr noch viel zu viel durch den Kopf ging.
Sie schaute durch die Eingangstür nach draußen in die Dunkelheit.
Vielleicht ein Spaziergang? Die Wege waren hell erleuchtet, aber verlassen und still. Sie zog ihre rote Strickjacke von Abercrombie & Fitch enger um ihre schlanke Gestalt und verwarf den Gedanken. Außerdem war sie in den letzten Tagen praktisch nonstop zu Fuß unterwegs gewesen. Sie war kein großer Freund von Bars, aber da sie nicht gleich wieder auf ihr Zimmer wollte, wo die Versuchung, ins Bett zu steigen, zu groß wäre, erschien ihr das die beste Alternative.
Sie ging an Vitrinen mit Keramik und Porzellan vorbei, stieß die Glastür auf und betrat die Bar, die eher an eine Bibliothek erinnerte. Ringsum füllten Bücherschränke mit Glasfront die Wände vom Boden bis zur Decke. In einer Ecke stand eine kleine, schön polierte rollbare Holzleiter, um die oberen Regale zu erreichen. Ledersessel waren um niedrige runde Tische gruppiert, wie in einem britischen Countryclub. Die Atmosphäre war behaglich und entspannt. Zwei Paare, eine größere Familie und etliche einzelne Männer.
Da kein Tisch frei war, entschied Meredith sich für einen Hocker an der Bar.
Sie legte ihren Schlüssel und die Broschüre hin und griff nach der Getränkekarte.
Der Barkeeper lächelte.
»Cocktails d’un coté, vins de l’autre.«
Meredith drehte die Karte um und ging die Liste der offenen Weine durch, dann legte sie die Karte beiseite.
»
Quelque chose de la région?«,
sagte sie.
»Qu’est-ce que vous recommandez?«
»Blanc, rouge, rosé?«
»Blanc.«
»Probieren Sie mal den Domaine Begude Chardonnay«, sagte eine andere Stimme.
Meredith, die nicht nur der englische Akzent überraschte, sondern auch, dass jemand sie ansprach, wandte sich um und sah drei Hocker weiter einen Mann an der Bar sitzen. Ein schickes, gutgeschnittenes Jackett lag über die beiden Sitze zwischen ihnen drapiert, und sein frisches weißes Hemd, das am Hals offen stand, die schwarze Hose und die schwarz glänzenden Schuhe standen in einem seltsamen Widerspruch zu seiner zutiefst niedergeschlagenen Ausstrahlung. Volles schwarzes Haar hing ihm tief in die Stirn.
»Ein Winzer hier in der Gegend. Cépie, etwas oberhalb von Limoux. Guter Wein.«
Er wandte den Kopf, um sie anzusehen, als wollte er sich vergewissern, dass sie ihm überhaupt zuhörte, dann starrte er wieder tief in sein Rotweinglas.
Was für blaue Augen.
Mit einem Ruck wurde Meredith klar, dass sie ihn
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