Die achte Karte
geschlossen.
Als sie den Flur entlangging, musste sie schmunzeln, weil alle Zimmer statt Nummern Namen trugen. Die Anjou-Suite, das Blaue Zimmer, Blanche de Castille, Henri IV .
Damit will das Hotel wohl seine historischen Wurzeln betonen.
Ihr Zimmer lag fast ganz am Ende. Mit einem Anflug von Vorfreude, die sie immer erfasste, wenn sie zum ersten Mal ein neues Hotelzimmer betrat, hantierte sie mit dem schweren Schlüssel herum, stieß dann die Tür mit der Schuhspitze auf und schaltete das Licht an.
Ein breites Lächeln überzog ihr Gesicht.
In der Mitte des Raumes stand ein riesiges Mahagonibett. Frisierkommode, Kleiderschrank und zwei Nachttischchen, alles war aus dem demselben dunkelroten Holz. Sie öffnete den Schrank und stellte fest, dass Minibar, Fernseher und Fernbedienung darin versteckt waren. Auf dem Schreibtisch lagen Hochglanzmagazine, der Hotelguide, die Speisekarte für den Zimmerservice und Broschüren, die einen historischen Abriss des Hauses lieferten. Zwischen zwei hölzernen Buchstützen auf dem Schreibtisch stand eine Auswahl alter Bücher. Meredith ließ den Blick über die Buchrücken schweifen – die üblichen Krimis und Klassiker, ein Informationsband zu einem Hutmuseum in Espéraza, zwei Bücher über die Geschichte der Region.
Sie ging zum Fenster, stieß die Läden auf und atmete den betörenden Duft der feuchten Erde und die Abendluft ein. Der dunkle Rasen schien sich meilenweit in die Ferne zu erstrecken. Sie konnte gerade so einen künstlichen See ausmachen und dann eine hohe Hecke, die den gestalteten Teil des Parks vom dahinterliegenden Wald trennte. Sie war froh, ein Zimmer nach hinten raus zu haben, weit weg vom Parkplatz und dem Lärm knallender Wagentüren, obgleich sich unter ihrem Fenster eine Terrasse mit Holztischen und -stühlen und Heizpilzen befand.
Meredith packte ihre Sachen aus, aber diesmal richtig, nicht wie in Paris, wo sie praktisch alles in der Reisetasche gelassen hatte, Jeans, T-Shirts und Pullover in die Schubladen und die schickeren Sachen auf Bügel in den Schrank. Sie stellte Zahnbürste und Make-up auf die Ablage über dem Waschbecken im Bad und testete dann die edle Molton-Brown-Seife und das Shampoo in der Wanne.
Dreißig Minuten später fühlte sie sich fast wieder wie sie selbst, als sie sich einen übergroßen Bademantel überzog, ihr Handy zum Aufladen einstöpselte und sich an ihren Laptop setzte. Sie bekam keinen Internetzugang und griff zum Telefon, um die Rezeption anzurufen.
»Hallo. Hier spricht Meredith Martin. Im Gelben Zimmer. Ich müsste meine E-Mails checken, aber ich komme nicht online. Könnten Sie mir vielleicht das Zugangspasswort geben oder das von Ihnen aus regeln?« Sie klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter und notierte die Information. »Okay, hab ich, vielen Dank.«
Sie legte auf, leicht verwundert, dass das Passwort ausgerechnet CONSTANTINE lautete, tippte es ein und bekam sofort eine Verbindung. Sie schickte eine Mail an Mary, teilte ihr mit, dass sie gut angekommen war und sogar schon die Stelle gefunden hatte, wo eines der Fotos aufgenommen worden war, und versprach, sich wieder zu melden, wenn es irgendwas zu berichten gab. Als Nächstes rief sie ihr Online-Konto auf und sah mit Erleichterung, dass das Geld vom Verlag angekommen war.
Gott sei Dank.
Sie hatte einige private E-Mails, darunter eine Einladung zur Hochzeit von zwei Collegefreunden in Los Angeles, die sie ablehnte, und eine zu einem Konzert, das von einer alten Schulfreundin dirigiert werden sollte, die jetzt wieder in Milwaukee war. Letztere nahm sie an.
Sie wollte sich schon ausloggen, als sie auf den Gedanken kam, nachzusehen, ob im Internet irgendwas über den Brand in der Domaine de la Cade im Oktober 1897 zu finden war. Sie erfuhr nicht viel mehr, als sie schon aus der Hotelbroschüre wusste.
Als Nächstes tippte sie LASCOMBE ins Suchfeld.
Das Ergebnis waren ein paar neue Informationen über Jules Lascombe. Anscheinend war er Amateurhistoriker gewesen, Experte für die Zeit der Westgoten, für regionale Überlieferungen, Aberglauben und Legenden. Er hatte sogar im Selbstverlag einige Bücher, Aufsätze, bei der ortsansässigen Druckerei Bousquet drucken lassen. Bousquet.
Merediths Augen verengten sich. Sie klickte den Link an, und neue Informationen erschienen auf dem Bildschirm. Die Bousquets waren eine angesehene alteingesessene Familie, nicht nur Besitzer des größten Warenhauses in Rennes-les-Bains sowie einer ansehnlichen
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