Die achte Offenbarung
Friedrichstraße und gingen das kurze Stück zu Fuß.
Das Wetter war angenehm mild, der Platz war voller Touristen. Paulus erschauderte bei dem Gedanken, dass es hier vielleicht schon in einer Woche völlig anders aussehen würde, wenn es ihnen nicht gelang, jemanden von der drohenden Gefahr zu überzeugen.
Der Eingang zum Botschaftsgebäude wurde von zwei bewaffneten deutschen Polizisten bewacht. Sie beobachteten argwöhnisch, wie sich Paulus und Mele zielstrebig näherten.
»Lass mich das machen«, raunte sie.
»Wohin möchten Sie?«, fragte einer der Polizisten nicht besonders freundlich.
»We’ve got an appointment with Mr. Aaron Lieberman«, sagte Mele in perfektem Englisch mit leichtem britischen Akzent. Paulus unterdrückte ein Grinsen. Eine Verabredung mit Lieberman! Mele war wirklich gut darin, sich Geschichten auszudenken.
»Okay«, erwiderte der Polizist und ließ sie passieren.
Im Inneren der Botschaft fanden sie eine offene Empfangstheke, hinter der ein junger Mann saß. Zwei bewaffnete Wachen, diesmal in amerikanischen Uniformen, standen neben einer Absperrung vor den Aufzügen. Der einzige Zugang führte durch einen Metalldetektor, wie sie an Flughäfen standen. Wenn sie jemanden suchten, dersich um die Sicherheit Sorgen machte, waren sie hier definitiv richtig.
»Guten Tag«, sagte der Mann am Empfang mit amerikanischem Akzent. »Was kann ich für Sie tun?«
»My name is Catherine Lieberman. This is my brother Thomas. We’ve got urgent information concerning national security.«
Der Mann musterte sie aufmerksam. »May I see your passport please, Mrs. Lieberman?«
Mele schüttelte den Kopf. »I’ve lost it.«
»If you are an American citizen and lost your passport, we can issue you a new one. But you need to make an appointment with the American Citizen Services Office at Clayallee.« Er reichte ihr ein Faltblatt, das den Weg zu der zuständigen Behörde für amerikanische Staatsbürger wies, die ihren Pass verloren hatten.
»Didn’t you listen? I said we’ve got urgent information concerning national security!«
»What kind of information?« Der skeptische Gesichtsausdruck des Mannes zeigte, dass er hier schon öfter irgendwelche Spinner abgewimmelt hatte, die behaupteten, wichtige Informationen in Bezug auf die Sicherheit der Vereinigten Staaten zu haben.
»We know of a planned terrorist attack!«
Der Mann seufzte. »Mrs. Lieberman, oder wie immer Sie wirklich heißen, ich kann Ihnen leider nicht helfen. Bitte wenden Sie sich an die deutsche Polizei, wenn Sie Hinweise auf eine bevorstehende Straftat haben.«
Paulus erschrak. Für ihn hatte Meles Englisch absolut perfekt geklungen, aber für einen Muttersprachler war ihre deutsche Herkunft wohl doch erkennbar.
Mele blickte ihn hilflos an. Sie war offensichtlich mit ihrem Latein am Ende. Sollten sie all die Strapazen aufsich genommen haben, um hier an der Empfangstheke der US-Botschaft zu scheitern?
»Hören Sie bitte, Sir«, sagte Paulus. Er legte seine rechte Hand mit der Handfläche nach oben auf die Theke. »Sehen sie diesen dunklen Fleck dort unterhalb des Daumens? Das ist Blut. Das Blut eines guten Freundes von uns. Er wurde vor ein paar Stunden von einem Terroristen angeschossen und liegt jetzt in einem Krankenhaus in Soest. Diese Terroristen wollen nicht, dass irgendwer von ihren Plänen erfährt. Sie gehören vermutlich zu der Organisation, die gestern Nacht die heilige Grotte in Lourdes angegriffen hat. Wir wissen, dass wir eigentlich die deutschen Behörden informieren sollten, aber die Zeit ist sehr knapp. Es bleiben nur noch sechs Tage, um einen Terroranschlag zu verhindern, der eine globale Katastrophe auslösen kann. Ich weiß, das klingt alles sehr unglaubwürdig. Trotzdem bitte ich Sie: Lassen Sie uns mit jemandem sprechen, der für die nationale Sicherheit der USA zuständig ist. Bitte!«
Der junge Mann blickte jetzt sehr ernst. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es nach deutschem und internationalem Recht eine Straftat ist, sich mit falschen Informationen Zugang zu einer diplomatischen Vertretung zu verschaffen.«
»Diese Informationen sind wahr«, sagte Paulus. »Das schwöre ich!«
»Wie ist Ihr Name?«
»Paulus Brenner.« Er legte seinen Personalausweis auf die Theke.
Der Mann nahm den Ausweis und legte ihn auf einen Scanner, bevor er ihn Paulus zurückgab. Dann wandte er sich an Mele. »Und Sie?«
»Mele Kallen.« Sie lächelte peinlich berührt. »Es tut mir leid, dass ich vorhin die Unwahrheit
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