Die achte Offenbarung
er jemals in die USA gereist sei, welcher Religion er angehöre und lächerlicherweise auch, ob er Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei. Sie wollte sogar wissen, ob sein Vater streng zu ihm gewesen war und welches Spielzeug er als Kind bevorzugt hatte.
Irgendwann platzte Paulus der Kragen. »Hören Sie, Mrs. Torcello, ich kann verstehen, dass Sie meine Glaubwürdigkeit überprüfen müssen. Aber uns bleiben nur noch wenige Tage, und wir vertrödeln hier unsere Zeit! Sorgen Sie bitte endlich dafür, dass jemand die Fotos auf dem Handy analysiert! Ich habe Mr. Ferry erklärt, wie man den Text entschlüsselt.«
Die Frau, höchstwahrscheinlich eine CIA-Psychologin, blieb ungerührt. »Beruhigen Sie sich, Mr. Brenner! Während wir hier sitzen, sind meine Kollegen bereits dabei, Ihre Angaben zu überprüfen. Beantworten Sie einfach meine Fragen, den Rest überlassen Sie uns!«
Sie setzte die Befragung fort. Eine halbe Stunde später schien sie zufrieden zu sein. Paulus fühlte sich ausgelaugt. Doch wenn er gedacht hatte, die Sache sei damit vorbei, hatte er sich getäuscht. »Bitte warten Sie noch einen Moment hier«, sagte Torcello. »Ein Kollege von mir wird Ihnen gleich noch ein paar Fragen stellen.« Sie verließ mit Ferry den Raum.
Der Kollege, der ein paar Minuten später hereinkam, war der dicke CIA-Mann. Er stellte sich nicht mit Namen vor. Stattdessen fragte er Paulus in aggressivem Tonfall auf Englisch: »In wessen Auftrag sind Sie hier?«
»In niemandes Auftrag«, antwortete Paulus ruhig. »Wir sind hergekommen, weil wir Sie warnen wollen.« Er begann zu ahnen, dass das Verhör mit Torcello der angenehme Teil gewesen war.
»Was bezwecken Sie mit dieser sogenannten Warnung?«
»Wenn das Manuskript recht hat und Sie es nicht verhindern, wird es in wenigen Tagen einen Terroranschlag mit verheerenden Folgen geben. Milliarden Menschen werden sterben.«
»Und diesen Mist soll ich Ihnen tatsächlich glauben?«
Paulus seufzte. »Ich verstehe, dass Ihnen das schwerfällt. Ich kann es selbst kaum glauben. Aber alles, was ich Ihnen und Ihren Kollegen erzählt habe, ist wahr.«
»Also noch mal: Für wen arbeiten Sie?«
Weitere zwei Stunden später war Paulus völlig erschöpft. Er fühlte sich, als hätte jemand seinen Kopf unablässig gegen die Wand des kleinen Konferenzraums gerammt, in dem es mittlerweile kaum noch Sauerstoff gab. Seine Kehle war staubtrocken, und er hatte Hunger.
»Kann ich bitte ein Glas Wasser haben, Sir?«, fragte er mit fast unterwürfigem Tonfall.
Er hatte mit einer barschen Abfuhr gerechnet, doch der Dicke sagte: »Ich habe keine weiteren Fragen. Danke für Ihre Kooperation. Warten Sie bitte noch einen Moment hier.« Damit erhob er sich und verließ den Raum.
Paulus sah ihm zweifelnd nach. War es endlich vorbei? Oder würde er jetzt von jemand anderem in die Mangel genommen?
Kurz darauf betrat Ferry mit Mele den Raum. Sie wirkte ebenfalls völlig erschöpft, aber sie lächelte, als sie Paulus sah.
»Danke, dass Sie zu uns gekommen sind«, sagte Ferry mit echtem Mitgefühl in der Stimme. »Sie können jetzt gehen.«
»Was … was geschieht jetzt?«, wollte Mele wissen.
»Ich kann Ihnen dazu nichts Genaues sagen. Wir werden Ihren Hinweisen nachgehen. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.«
Er führte sie zur Empfangshalle und verabschiedete sich von ihnen.
»Es … es ist vorbei«, sagte Mele, als sie vor dem Botschaftsgebäude standen und die kühle Nachtluft genossen.
»Ja«, stimmte Paulus zu. Doch er wusste, dass das nicht stimmte. Die entscheidende Auseinandersetzung stand noch bevor. Die Amerikaner mussten davon überzeugt sein, dass die Botschaft aus dem Manuskript echt war. Dann mussten sie einen Weg finden, den geplanten Bioterroranschlag zu verhindern. Paulus hoffte, dass es noch eine andere Möglichkeit gab als die, die im Manuskript beschrieben wurde. Aber der unbekannte Autor aus der Zukunft hatte sich in dieser Hinsicht unmissverständlich ausgedrückt. Und wahrscheinlich hatte er recht: Wenn man nicht wusste, wo genau sich das Labor mit den tödlichenKeimen befand und keine Zeit blieb, es zu suchen, dann war es womöglich tatsächlich die einzige Möglichkeit, eine ganze Stadt auf einen Schlag zu zerstören.
Paulus hatte einmal eine Fernsehdokumentation über die Schrecken der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki gesehen. Er dachte an die Hunderttausende Menschen – Männer und Frauen, Kinder und Greise, Soldaten und
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