Die achte Offenbarung
bestätigen, was er schon aufgeschrieben hat?«
»Keine Ahnung. Vielleicht ist das eine Art Horoskop der Jungfrau von Orleans?«
»Vielleicht. Aber dann hätte Hermo … Moment mal!« Paulus sprang auf. Er klopfte an Dirks Tür.
»Was ist?«, fragte der Student mürrisch.
»Darf ich bitte noch einmal an deinen Computer?«, fragte Paulus durch die geschlossene Tür. Er hörte von drinnen gedämpfte Stimmen – anscheinend lief auf Dirks Laptop gerade ein Spielfilm.
»Muss das sein? Ich bin gerade mitten in der Arbeit.«
»Bitte, es dauert nicht lange.«
»Augenblick.« Nach einer Minute öffnete sich die Tür. »Also gut, kommt rein.«
Paulus setzte sich an den Computer, auf dessen Bildschirm das Fenster einer Textverarbeitung zu sehen war. Er öffnete den Internetbrowser und rief den Wikipedia-Eintrag über Jeanne d’Arc auf. Dann suchte er eine Weile im Internet, bis er eine astronomische Seite fand, die die Planetenkonstellation zu einem beliebigen Datum anzeigte.
Er gab den 30. 5. 1431 ein, den Todestag von Jeanne d’Arc. Sekundenbruchteile später erschien die Planetenkonstellation auf dem Bildschirm: Jupiter stand damals im Sternbild Stier, Mars in der Jungfrau, Saturn und Mond im Steinbock. Hermo von Lomersheim hatte die korrekte Planetenkonstellation des Todestages von Jeanne d’Arc aufgezeichnet.
»Was macht ihr da eigentlich?«, fragte Dirk. »Falls ich das fragen darf.«
»Paulus hat in dem Manuskript astrologische Symbole entdeckt«, erklärte Mele. »Anscheinend so eine Art Horoskop.«
»Nein«, widersprach Paulus. »Eine exakte Datumsangabe. Der Mönch hat das genaue Todesdatum der Jungfrau von Orleans angegeben, indem er die Planetenkonstellation dieses Tages festgehalten hat.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Die Planeten umkreisen die Sonne in unterschiedlicher Zeit. Der Jupiter braucht so ungefähr zwölf Jahre für einen Umlauf, glaube ich. Der Saturn noch länger, weil er weiter entfernt ist. Außerdem dreht sich ja auch die Erde um die Sonne, und das bedeutet, dass von uns aus gesehen die Bahnen der Planeten vor dem Hintergrund der Fixsterne relativ kompliziert sind. Manchmal scheinen sich die Planeten in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen, was die Astronomen der Antike ziemlich verwirrt hat. Jedenfalls folgt daraus, dass sich genau dieselbe Planetenkonstellation sehr selten wiederholt, wahrscheinlich nur alle fünfhundert Jahre oder so.«
»Aber wenn die Planeten so lange brauchen, dann stehen sie doch monatelang im selben Sternzeichen. Ist das dann nicht eine ziemlich ungenaue Zeitangabe?«
»Nein. Der Mars braucht knapp zwei Jahre für einen Umlauf, das heißt, er bleibt ungefähr zwei Monate lang in einem Sternzeichen. Der Mond dagegen umkreist uns in knapp einem Monat, ist also nur ungefähr zwei Tage lang in einem Sternbild zu sehen. Das heißt, die Zeitangabe, die durch diese Planetenkonstellation beschrieben ist, ist auf etwa zwei Tage genau. Und sie ist unabhängig davon, welchen Kalender man verwendet.«
»Wieso welchen Kalender? Gibt es denn mehrere?«
»Die gibt es in der Tat. Zum Beispiel wird in islamischen Ländern ein Kalender verwendet, bei dem das Jahr nur 355 Tage hat, so dass sich die islamischen Monate wie zum Beispiel Ramadan gegenüber unserer Zeitrechnung jedes Jahr um zehn Tage verschieben. Im Mittelalter verwendete man den Julianischen Kalender, den schon die Römer benutzt hatten, der jedoch nicht sehr genau war, so dass sich der Frühlingsanfang alle 130 Jahre um einen Tag verschob. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde dann der GregorianischeKalender eingeführt, den wir heute noch verwenden.«
Er schwieg einen Moment nachdenklich. Es war fast, als hätte der Mönch geahnt, dass eines Tages der Kalender umgestellt werden würde. Andererseits waren die Schwächen des Julianischen Kalenders auch schon zu Hermos Zeiten bekannt gewesen. Vielleicht hatte sich der Mönch mit astronomischen oder astrologischen Studien beschäftigt – was zu seiner Zeit mehr oder weniger dasselbe gewesen war – und deshalb diese ungewöhnliche Form der Datumsangabe gewählt.
»Wisst ihr jetzt mehr darüber, was in diesem Buch steht?«, fragte Dirk.
»Nicht wirklich«, sagte Paulus.
»Es ist eine Prophezeiung«, sagte Mele gleichzeitig.
Paulus blickte sie überrascht an. »Wie kommst du darauf?«
»Na ja, ist das nicht offensichtlich? Der Engel hat doch diesem Mönch die Sache mit der Jungfrau von Orleans prophezeit.«
»Ich habe dir doch schon erklärt, das
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