Die achte Offenbarung
Speck. Als er an den Tisch zurückkehrte, kam Mele in den Frühstücksraum. Im Unterschied zu ihrem Mitbewohner wirkte sie gut gelaunt. »Morgen, Jungs!«
»Guten Morgen«, sagte Paulus.
Dirk grunzte etwas.
Mele lud sich einen großen Teller mit zwei Brötchen, Rührei, Käse, Salami, Nutella und Marmelade voll und machte sich mit großem Appetit darüber her.
Dirk starrte angewidert auf ihren Teller. »Ich gehe schon mal rauf«, sagte er und stand auf.
Mele sah ihm überrascht nach. »Was hat er denn?«
»Schlecht geschlafen«, sagte Paulus.
Sie lächelte ihn an. »Und du?«
Er lächelte zurück. »Eigentlich ganz gut. Zu Anfang jedenfalls.«
Ihr Lächeln wurde breiter, doch sie sagte nichts mehr.
Als sie ihr Frühstück beendet hatten, gingen sie gemeinsam nach oben. »Wir treffen uns in zehn Minuten bei mir«, sagte er.
»Okay.« Mele verschwand in ihrem Zimmer.
Als Paulus die Schlüsselkarte durch den Schlitz an seiner Zimmertür zog, leuchtete statt des erwarteten grünen Lämpchens ein rotes auf.
Er blickte auf die Zimmernummer. Das war eindeutig sein Zimmer. Er versuchte es erneut, wieder ohne Erfolg. Merkwürdig.
Er fuhr mit dem Lift herunter zur Rezeption und berichtete von dem Problem.
»Einen Moment«, sagte die junge Empfangsdame und zog die Karte durch ein Lesegerät. »Wie war ihre Zimmernummer?«
»413.«
»Diese Karte ist auf Zimmer 415 programmiert. Kann es sein, dass Sie Ihre Karte mit der eines anderen Gasts vertauscht haben?«
Paulus stutzte. Mele konnte es nicht sein, denn die war in ihrem Zimmer verschwunden. Also Dirk. Vielleicht hatte er versehentlich die falsche Karte genommen. Doch warum war er dann nicht zum Frühstücksraum zurückgekehrt, nachdem er seinen Irrtum bemerkt hatte?
Oder war es gar kein Irrtum gewesen?
»Können Sie mir bitte eine neue Karte für 413 geben?«
»Wie ist ihr Name?«
»Paulus Brenner. Ich habe drei Zimmer gebucht, eines für mich und zwei für meine beiden Begleiter. Möglicherweise hat einer von ihnen versehentlich meine Karte genommen.«
»Können Sie dann nicht die Karte wieder mit ihm tauschen?«
»Er ist in einem Termin«, log Paulus.
»Haben Sie vielleicht einen Personalausweis bei sich? Nur zur Sicherheit, Sie verstehen.«
Er zeigte ihr seinen Ausweis.
»Okay, Herr Brenner, ich mache Ihnen eine neue Karte. Einen Moment.«
Er hastete mit der neuen Karte zu seinem Zimmer. Als er sie durch den Schlitz zog, ließ sich die Tür sofort öffnen.
Wie er befürchtet hatte, waren Dirks Laptop, alle Aufzeichnungen und das Manuskript verschwunden. Stattdessen lag dort ein Zettel mit einigen Zeilen in Dirks enger Handschrift:
Paulus,
ich werde versuchen, das Manuskript auf eigene Faust zu entschlüsseln. Ich weiß ja jetzt, wie es geht. Sobald ich fertig bin, veröffentliche ich die Ergebnisse im Internet und bringe Dir das Buch zurück.
Mir ist klar geworden, dass dies die einzige Möglichkeit ist. Das Buch ist viel zu wichtig. Die Gefahr, dass unsere Verfolger Euch aufspüren und es in ihre Hände fällt, ist zu groß. Sie wissen, wer Du bist und haben sicher Fotos von Mele, aber sie kennen mich nicht, und sie werden mich nicht finden. Deshalb darfst auch Du nicht wissen, wo ich bin.
Glaub mir, es ist besser so. Du wirst es wahrscheinlichnicht verstehen, deshalb habe ich die Schlüsselkarten vertauscht und das Buch an mich genommen, ohne Dich zu fragen. Bitte nimm es mir nicht übel und vertrau mir, auch wenn es Dir schwerfällt.
Dirk
Paulus stieß einen lauten Fluch aus. Nicht schon wieder! Er rannte zu Meles Zimmer und klopfte laut an die Tür. »Mele, mach auf!«
Sie öffnete verdattert. »Was ist denn los?«
»Dirk ist weg. Er hat das Manuskript und die Aufzeichnungen mitgenommen. Ich bin ja so ein verdammter Idiot! Wieso war ich nur so blöd und hab ihm vertraut!«
Mele wurde blass. »Das … das kann doch nicht sein!«
Er zeigte ihr den Zettel. »So ein verdammter Mist! Er bildet sich ein, dass er das Manuskript allein entschlüsseln kann.«
»Vielleicht … hat er ja recht«, sagte Mele.
Paulus starrte sie entgeistert an. »Schwachsinn! Er hat es schon mal alleine versucht und ist nicht mal in die Nähe des Schlüsselbuchs gekommen. Was, wenn es noch einen weiteren Schlüssel gibt? Ohne das Wissen eines Historikers hat er keine Chance. Und außerdem …«
»Außerdem was?«
»Ich glaube ihm nicht, was er geschrieben hat. Ich bezweifle, dass es ihm nur darum geht, das Manuskript vor unseren Verfolgern zu retten und es
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