Die achte Offenbarung
nur hoffen, dass das Zeug da drin tatsächlich so harmlos war, wie Crowe gesagt hatte.
Sie zerrten die Frau zum Dienstwagen des FBI. Eddie warf einen kurzen Blick in das Restaurant. Der Tisch, an dem Crowe gesessen hatte, war leer. Doch wenn er sich aus dem Staub zu machen versuchte, würde er nicht weit kommen, dafür hatte Eddie gesorgt.
21.
Heidelberg, Mittwoch 01:27 Uhr
Paulus gähnte. Er sah auf die Uhr: halb zwei. »Ich glaube, ich könnte mal eine Pause vertragen.«
Dirk nickte. »Okay, von mir aus können wir morgen weitermachen.«
»Wollen wir uns um neun Uhr zum Frühstück treffen?«, schlug Paulus vor.
Mele und Dirk stimmten zu.
»Dann gute Nacht«, sagte er, als die beiden sich erhoben. »Und danke für eure Hilfe!«
Dirk warf ihm einen missmutigen Blick zu. »Das hier ist unser gemeinsames Projekt!«
»Ja, schon gut. Ich wollte eigentlich sagen, danke, dass ihr mitmacht!«
Nachdem die beiden gegangen waren, setzte sich Paulus wieder an den Schreibtisch und las noch einmal den Text, den sie am Abend übersetzt hatten. Bisher hatten sich keine großen Überraschungen ergeben. Wie erwartet schilderte das Manuskript bedeutende Ereignisse der Geschichte recht exakt in chronologischer Reihenfolge.
Der erste Absatz des dritten Teils bezog sich offensichtlich auf den Dreißigjährigen Krieg:
Ein großes Morden und Schlachten wird kommen, und dreißig Jahre lang werden die Äcker getränkt mit dem Blut der Sünder und der Aufrechten. Jene, die dem Papst treu sind, werden die bekämpfen, die sich auf das göttliche Gewissen berufen. Mit donnernden Rohren werden sie zu Felde ziehen, und kein Land wird verschont bleiben. Wenn aber dergroße Krieg beendet wird, so wird die Kirche gespalten sein und nie wieder vereinigt.
Hinter diesem Absatz war wieder eine Planetenkonstellation aufgezeichnet, die exakt der Konstellation bei Beendigung des Krieges mit dem Westfälischen Frieden am 24. Oktober 1648 entsprach.
Der nächste Abschnitt bezog sich auf ein Naturereignis:
Die Erde wird erbeben, und Feuer und Rauch und Schwefel werden aus dem Schlund emporgestoßen. Die Wolken werden das Antlitz der Sonne verhüllen, und das Jahr wird keinen Sommer kennen.
Auch hier war eine Planetenkonstellation angegeben. Sie entsprach dem Stand der Planeten am 10. April 1815, als der Vulkan Tambora in Indonesien ausgebrochen war – die schwerste Vulkaneruption in den letzten zwanzigtausend Jahren. Der Vulkan hatte 150 Kubikkilometer Asche und 130 Millionen Tonnen Schwefelverbindungen in die Atmosphäre geschleudert. Diese hatten den Himmel verdunkelt und im darauffolgenden Jahr in Europa und Nordamerika einen extrem kalten Sommer mit Schnee im Juli und schweren Ernteausfällen verursacht – das berühmte »Jahr ohne Sommer«.
Zur Überprüfung der Planetenkonstellation hatte Paulus den entsprechenden Wikipedia-Artikel noch einmal gelesen. Dabei war ihm eine Ungereimtheit aufgefallen: Dem Onlinelexikon zufolge war die Verbindung zwischen dem Jahr ohne Sommer und dem Vulkanausbruch ein Jahr zuvor erst im Jahr 1920 durch den Physiker William Jackson Humphreys hergestellt worden. Demnachhätte ein Autor des 19. Jahrhunderts diese beiden Ereignisse nicht in einen Zusammenhang stellen können.
Doch Paulus maß diesem Widerspruch keine allzu große Bedeutung bei. Erstens war Wikipedia ein von anonymen Laien erstelltes Lexikon, das trotz insgesamt hoher Qualität der Beiträge als wissenschaftliche Quelle ungeeignet war. Zweitens hatten die meisten wissenschaftlichen Entdeckungen eine lange Vorgeschichte. Es war also durchaus möglich, dass die Theorie über den Zusammenhang zwischen Vulkanausbruch und Wetteranomalie schon lange diskutiert worden war, bevor sie Humphreys 1920 veröffentlicht hatte.
Der folgende Abschnitt bezog sich auf die Industrialisierung und die politischen und religiösen Umbrüche des 19. Jahrhunderts:
Doch die Menschen wähnen sich erhaben über die Natur und verstehen nicht die Mahnung, noch verharren sie in Demut. Sie werden Wagen bauen, welche mit dem Feuer der Hölle angetrieben ohne Pferde sich bewegen, und gewaltige Maschinen werden das Land erzittern lassen. Die Kräfte, die jene nach uns entfesseln, werden gewaltig sein und noch gewaltiger eines ums andere Jahr, und sie werden sich Göttern gleich gebärden. Die Kirche aber wird getrennt werden von der weltlichen Macht, und kein Herrscher wird sich Gottes Wort mehr unterordnen. So streben die Menschen ihrem Niedergang zu.
Dieses war die
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