Die achte Offenbarung
sie nach ihrem Namen zu fragen. Ihnen ist ja wohl bewusst, dass sich das Programm zur Gesichtserkennung, das Sie unautorisiert verwendet haben, noch im Teststadium befindet und nicht offiziell zugelassen ist?«
Bevor Eddie antworten konnte, fuhr Butler fort: »Wie auch immer, Sie haben es gründlich vermasselt! Dank Ihresunprofessionellen Eingriffs sind wir wieder mal unserem Ruf gerecht geworden, eine ineffektive Behörde zu sein, die bloß die anderen bei ihrer Arbeit behindert. Die nächste Budgetkürzungsrunde wird uns wohl wieder hart treffen.« Er machte eine kurze dramatische Pause. »Trotzdem werde ich von einem Disziplinarverfahren gegen Sie absehen, da ich davon ausgehen muss, dass Sie es nicht besser wussten und glaubten, im Interesse der nationalen Sicherheit zu handeln.«
»Danke, Sir«, sagte Bob schnell, als befürchte er, dass es sich Butler noch anders überlegen könnte. »Das wissen wir sehr zu schätzen!«
»Ich erwarte keine Dankbarkeit«, erwiderte Butler. »Ich erwarte nur, dass Sie Ihren Job machen und die nächste Aktion vorher mit mir absprechen. Ich hatte Sie ermächtigt, sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, gegebenenfalls Verdächtige zu überwachen und ungewöhnliche Vorkommnisse zu melden, mehr nicht. Von Verhaftungen und Hausdurchsuchungen war nicht die Rede! Eigenmächtiges Handeln kann und will ich in meiner Abteilung nicht dulden! In Zukunft halten Sie sich aus der Sache mit Fort Fredrick raus. Der Militärische Sicherheitsdienst kümmert sich darum, den Vorfall aufzuklären, und wird Maßnahmen ergreifen, damit ein solcher Fehler nicht wieder vorkommt.«
Eddie wollte protestieren, doch Bob brachte ihn mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen. »Vielen Dank, Sir! Ich verbürge mich persönlich dafür, dass eine solche unabgestimmte Aktion nicht wieder vorkommt! Wenn das alles ist, gehen wir jetzt wieder an unsere Arbeit.«
»Das ist alles, Bob.«
Auf dem Weg zum Fahrstuhl musste Bob sich sichtlichbeherrschen, um nicht loszubrüllen. »Wir hatten doch ausgemacht, dass ich das Gespräch führe!«
»Bob, ich bin immer noch der Meinung …«
»Deine gottverdammte Meinung interessiert niemanden, Eddie! Du hast doch wohl gehört, was Butler gesagt hat, oder? Also halt dich gefälligst da raus! Ich will den Namen Crowe oder Fort Fredrick nie wieder aus deinem Munde hören, kapiert? Und sollte ich dich dabei erwischen, dass du weiter Arbeitszeit in die Sache investierst, bekommst du doch noch ein Disziplinarverfahren an den Hals! Haben wir uns verstanden?«
»Jawohl, Sir«, sagte Eddie mit unverhohlenem Sarkasmus.
30.
Speyer, Donnerstag 18:38 Uhr
Paulus und Mele saßen in der Gaststätte »Zum Domnapf« am Rande des Domplatzes in Speyer und blickten immer wieder nervös aus dem Fenster. Etwa 20 Meter vor dem Hauptportal des Doms stand eine Schale aus Stein, die mit einer umlaufenden Inschrift versehen war.
Ohne Zweifel war dies der Napf, auf den sich der Manuskripttext bezog, auch wenn es sich dabei nicht um eine Brunnenschale handelte. Eine Broschüre, die in dem Restaurant auslag, erklärte in mehreren Sprachen, er habe im Mittelalter die Grenze zwischen dem Hoheitsbereich der Kirche und der weltlichen Macht markiert. Verurteilte Verbrecher, die es bis hierher schafften, seien vor der Verfolgung durch die weltliche Gerichtsbarkeit geschützt gewesen. Außerdem habe jeder neu geweihte Bischof den Napf für die Bevölkerung mit Wein füllen müssen.
Ein leichter Regen hatte eingesetzt, und der Platz vor der riesigen Kirche war fast menschenleer. Paulus und Mele hatten keinen Regenschirm und keine passende Kleidung dabei. Wenn sie jetzt hinausgingen und den Napf unter die Lupe nahmen, würden sie sofort die Aufmerksamkeit ihrer Verfolger erregen, falls diese hier irgendwo lauerten.
Zwar hatte Paulus noch keine Anzeichen von ihnen entdeckt. Aber das Gefühl der Bedrohung war so stark, dass er sich zwingen musste, sich nicht dauernd im Restaurant umzusehen.
Endlich klarte es auf. Nach und nach füllte sich der Platzmit Menschen. Paulus bezahlte zwei Cappuccinos. Kurz darauf beugten sie sich über den regennassen Napf.
Das Innere des Beckens bestand aus rauem Stein, dem man die Jahrhunderte, die es hier schon stand, ansah. Um den äußeren Rand des Beckens lief ein Band aus Metall, auf dem in erhabenen Buchstaben ein lateinischer Text stand:
Quid velit haec, relegas, ut lanx cavus ille catinus; Dum novus antistes procerum comitante caterva – Urbem hanc intrat
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