Die achte Offenbarung
frei. In der Ferne ragte die gewaltige Kuppel des Kapitols auf.
Eddie hatte keinen Blick für das Panorama. Nervös blickte er auf den Mann, der äußerlich gelassen hinter dem Schreibtisch saß. Der wandte sich jedoch nicht an Eddie, sondern an dessen Chef. »Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie angerichtet haben, Bob?«, fragte er mit ruhiger Stimme.
»Tut mir leid, Sir«, erwiderte Bob. »Officer Wheeler musste nach Lage der Dinge davon ausgehen, dass Gefahr im Verzuge war.«
Butler schwieg einen Moment. Er war jung, mindestens zehn Jahre jünger als Eddie und Bob Collins. Ein typischer Überflieger, der in Washington eine Blitzkarriere gemacht hatte, auf eine herbe Art gut aussehend mit seinem kurzgeschnittenen schwarzen Haar, den buschigen Augenbrauen und den kantigen Wangen. Eddie war sicher, dass er eines nicht allzu fernen Tages als Abgeordneter der Republikaner im Kapitol sitzen würde. Patzer wie diesen konnte er auf dem Weg dorthin allerdings nicht gebrauchen.
»Ja, das habe ich dem Verteidigungsminister auch gesagt«, meinte Butler schließlich. »Und wissen Sie, was er mir geantwortet hat?« Er schüttelte den Kopf. »Das wollen Sie gar nicht wissen!«
»Sir«, meldete sich Eddie zu Wort. Er ignorierte Bobs warnendes Kopfschütteln. »Auch wenn die Parfümflaschekeine DNA enthielt und wir weder in Crowes Haus noch in der Wohnung der Frau Spuren der Proben gefunden haben, bedeutet das nicht, dass sie nicht die Kontaktperson ist. Es ist immerhin möglich, sogar wahrscheinlich, dass die Übergabe schon früher stattgefunden hat.«
Butlers Augen verengten sich. »Ach ja? Und können Sie mir bitte erklären, warum die beiden sich dann noch einmal getroffen haben? Wenn die Frau eine Terroristin wäre, dann wäre sie doch wohl mit dem Zeug in der Handtasche in ihr Heimatland ausgereist, oder?«
»Absolut, Sir«, stimmte Bob zu. »Ich halte es ebenfalls für unwahrscheinlich, dass …«
»Nicht unbedingt«, unterbrach Eddie. »Es wäre denkbar, dass sie die Probe an eine Kontaktperson weitergegeben hat. Die Terrorgruppe hat vielleicht damit gerechnet, dass wir die Verbindung zwischen ihr und Crowe aufdecken. Je mehr Zwischenglieder es in der Kette gibt, desto schwieriger ist es, den Weg der Proben zu verfolgen.«
»Officer Wheeler«, sagte Butler scharf. »Ist Ihnen bewusst, dass wir nicht den geringsten Beweis dafür haben, dass überhaupt Substanzen aus dem Labor verschwunden sind? Die ganze Terrorverschwörung existiert bisher nur in Ihrem Kopf! Offenbar hat Dr. Crowe ein Techtelmechtel mit dieser Studentin gehabt, die er bei einer Gastvorlesung an der University of Baltimore kennengelernt hat. Sie haben sich ein paar Mal getroffen, das ist alles. Seine Frau war allerdings nicht begeistert, als sie von der Sache erfahren hat. Sie ist mit den Kindern ausgezogen, soweit ich weiß. Ist das wirklich nötig gewesen?«
»Sir, bei allem Respekt, wir reden hier von einem möglichen Bioterroranschlag«, verteidigte sich Eddie. »Da können wir auf die privaten Lebensumstände von Verdächtigen …«
»Dr. Crowe ist ein respektierter Wissenschaftler, der sich bereits große Verdienste in der Einschätzung möglicher Gefahren durch Bioterrorismus erworben hat«, unterbrach Butler. »Er ist ein international anerkannter Experte auf diesem Gebiet. Haben Sie sich eigentlich mal gefragt, warum ausgerechnet jemand wie er einen Killervirus aus einem Hochsicherheitslabor stehlen sollte? Das ist doch absurd! Noch dazu hat der Mann eine Familie und Kinder! Glauben Sie im Ernst, er würde zulassen, dass jemand einen Virus freisetzt, der sie möglicherweise umbringt?«
Eddie wusste, dass er auf verlorenem Posten kämpfte, aber er gab nicht auf. »Sir, auch wenn wir noch nicht alle Hintergründe kennen und Dr. Crowes Motiv im Unklaren bleibt, sprechen doch die Fakten …«
»Officer Wheeler, ich habe keine Zeit und Lust, mit Ihnen herumzudiskutieren«, unterbrach ihn Butler erneut. »Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sind keine Proben verschwunden, und das Ganze ist ein harmloser Fehler. Dann haben Sie grundlos den Ruf eines angesehenen Wissenschaftlers beschädigt und seine Ehe ruiniert. Oder es wurde tatsächlich etwas entwendet, aber Crowe ist unschuldig. Dann ist der wirkliche Übeltäter jetzt gewarnt, und wir haben kaum noch eine Chance, eine Katastrophe zu verhindern. Beten wir, dass es die erste Möglichkeit ist! Und außerdem: Der Anwalt des Mädchens fragt sich, wie wir ihre Identität ermittelt haben, ohne
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