Die achte Offenbarung
Hinweis.
Der Pastor kam zu ihnen. »Ich muss Sie jetzt leider bitten zu gehen«, sagte er und wies auf seine Uhr.
»Bitte, dürfen wir noch einen kurzen Blick in die Krypta werfen?«, bat Paulus.
Der Pastor schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber die Öffnungszeit ist leider vorbei. Ich muss Sie bitten, morgen wiederzukommen. Wir öffnen um neun Uhr.«
»Es wäre mir sehr wichtig, sie heute noch zu sehen«, sagte Paulus. Er holte sein Portemonnaie hervor und zog alles Bargeld heraus, das er noch besaß – vierzig Euro. »Ich würde im Gegenzug gern etwas für den Erhalt des Doms spenden, wenn Sie einverstanden sind.«
Der Pastor nahm das Geld. »Also schön, folgen Sie mir.«
Er führte sie zu einer Seitentür und eine steile Steintreppe hinab in ein in mehrere Räume unterteiltes Gewölbe, dessen Decke überraschend hoch war.
Der Pastor fühlte sich offensichtlich bemüßigt, für Paulus’ Spende ein wenig Information zu bieten. Unaufgefordert erzählte er ihnen, die Krypta sei die größte romanische Säulenhalle Europas und eine architektonische und technische Meisterleistung des frühen Hochmittelalters. Er zeigte auf eine Treppe, die hinter einem Ausgang auf einer Seite der zentralen Halle lag. »Dort geht es zu den Kaisergräbern.«
Paulus wusste, dass hier bedeutende Kaiser und Könige bestattet worden waren, darunter Philip von Schwaben, der Sohn Friedrich Barbarossas, und Rudolf von Habsburg. Doch er interessierte sich nicht für die Gräber der Herrscher. Stattdessen wies er auf eine rechteckige leere Fläche zwischen vier Säulen. »Liegt diese Fläche hier genau unter dem Altar?«
Der Pastor sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ja, warum?«
»Ich interessiere mich für die Architektur mittelalterlicher Sakralgebäude«, log Paulus.
»Dann kommen Sie doch am besten morgen wieder«, schlug der Pastor vor. »Ich kann Ihnen noch viel mehr über die Geschichte und Architektur des Doms erzählen. Jetzt allerdings habe ich nicht die Zeit dazu.« Er deutete mit einem Blick auf seine Uhr an, dass auch die großzügige Spende nicht für einen längeren Aufenthalt hier unten reichte.
»Einen Moment noch«, bat Paulus. Er betrachtete den Steinfußboden, der aus unregelmäßig großen Steinquadern geformt war. Genau unter dem Altar, zwischen vier Säulen, war ein großes Quadrat zu erkennen, das aus etwas dunkleren Steinen bestand.
Er ignorierte die fragenden Blicke des Pastors und skizzierte die Form der Steine auf einem Zettel. Man konnte sieben Reihen von Steinen erkennen. Jede bestand aus einer unterschiedlichen Anzahl von Quadern: 6, 8, 6, 8, 7, 7, 8. Umfasst wurde das Quadrat von zwei Steinreihen aus hellerem Stein zwischen den Säulen. Auch hier zählte Paulus die Steine, beginnend jeweils mit der äußeren Reihe: 6 und 7 auf einer Seite, 8 und 7 auf der zweiten, 7 und 8 auf der dritten und 8 und 8 auf der vierten.
Waren das die Zahlen, die sie suchten, das Korn, mit dem alles begann? Jedenfalls war es einen Versuch wert.
»Falls Sie hoffen, hier noch Hinweise auf das verlorene Grab eines Kaisers finden zu können, muss ich Sie enttäuschen«, sagte der Pastor mit hörbarer Ungeduld. »Vor über hundert Jahren wurde hier alles von Archäologen aufgegraben. Man fand die erhaltenen Gräber von acht deutschen Kaisern und Königen sowie einige ihrer Gemahlinnen. Sie wurden dort in die neue Krypta umgebettet.«
Paulus kam ein Gedanke. War es möglich, dass sich die Zahl in Wahrheit auf einen Menschen bezog, auf einen Kaiser vielleicht? War die mathematisch klingende Formulierung in Wahrheit ein Code im Code? »Welche Kaiser und Könige liegen denn hier genau?«, fragte er.
»Tut mir leid, aber ich muss Sie jetzt wirklich bitten zu gehen. Kommen Sie morgen wieder, wenn Sie wollen. Bis dahin muss ich Sie aufs Internet verweisen, dort finden Sie eine Menge Informationen über die Geschichte des Doms.«
»Ja, natürlich. Vielen Dank für Ihre Geduld, Pastor!«
Der Geistliche geleitete sie die Treppe hinauf und zum Hauptportal.
Sie traten hinaus in den warmen Sommerabend. Es hatte aufgeklart; zwischen den Wolken warf die Abendsonne warmes Licht auf den Domplatz. Eine Gruppe Jugendlicher stand in der Nähe des Domnapfes beisammen, Bierdosen in der Hand. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes führte eine breite, von schmuckvollen alten Häusern gesäumte Einkaufsstraße zu dem Parkhaus, in dem sie ihren Mietwagen abgestellt hatten.
An der Ecke, an der die Straße auf den Platz
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