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Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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seiner Führung teilnahm – noch dazu eine hübsche junge Frau.
    »Ja?«
    »Ich habe gehört, dass es hier in diesem Brunnen eine Inschrift geben soll. Aber ich kann sie nicht finden.«
    Der Führer runzelte die Stirn. »Eine Inschrift? Hier gibt es keine Inschrift. Woher haben Sie denn diese Information?«
    »Aus dem Internet.«
    Der Führer lachte. »Ist da zufällig auch von einem verborgenen Schatz die Rede?«
    Mele warf ihm einen finsteren Blick zu, sagte jedoch nichts.
    Gemurmel erhob sich unter den übrigen Gruppenmitgliedern. »Was denn für ein Schatz?«, fragte eine ältere Frau.
    Während der Führer sich bemühte, zu erklären, dass es hier im Kloster weder verborgene Inschriften noch Schätze gäbe, raunte Paulus Mele zu: »Ich glaube, wir sind hier auf dem Holzweg.«
    »Aber du hast doch gesagt, dass dieser Hermo von Lomersheim hier gelebt hat.«
    »Ich habe gesagt, dass er angeblich Mönch im Kloster Maulbronn war. Ich hatte angenommen, dass der Autor des Manuskripts hier war und irgendeinen hier versteckten Hinweis als Schlüssel für seinen Code benutzt hat. Aber das scheint nicht der Fall zu sein.«
    »Vielleicht interpretieren wir ja den Text falsch. Zeig mir noch mal den Zettel.«
    Er reichte ihn ihr.
    »Hm. Hier steht etwas von einem Brunnen bei der Kirche des Bischofs. Vielleicht ist damit ja gar nicht die Klosterkirche gemeint.«
    Paulus sah sie verblüfft an. »Ich Idiot!« Er wandte sich an ihren Führer. »Entschuldigung, ich hätte auch noch eine Frage. Wer, sagten Sie vorhin, hat das Kloster gestiftet?«
    »Das war Günther von Henneberg. Er war ein Jahr zuvor Bischof von Speyer geworden und hatte dort den Heiligen Bernhard von Clairvaux kennengelernt, einen der Gründungsväter des Zisterzienserordens, der zu der Zeit überall in Europa seine berühmten Predigten hielt. Er muss so beeindruckt gewesen sein, dass er sich persönlich um das nächstgelegene Zisterzienserkloster gekümmert hat. Ursprünglich war das Kloster nämlich an einer anderen Stelle gegründet worden, und zwar als Schenkung eines Landadligen, der ebenfalls von Bernhards Leidenschaft angesteckt worden war, einem gewissen Walter von Lomersheim.«
    Paulus zuckte zusammen. »Wer?«
    »Walter von Lomersheim. Im Jahr 1138 schenkte er den Zisterziensern sein Erbgut Eckenweiher, ein paar Kilometer von hier entfernt, und trat selbst als Laienbruder in den Orden ein. Doch Eckenweiher, das heutige Mühlacker, erwies sich als ungeeignet, weil es dort zu wenig Wasser gab, um Landwirtschaft zu betreiben. Also schenkte der Bischof den Mönchen Maulbronn und sie zogen hierher um. Wenn Sie mir jetzt bitte zum Kapitelsaal folgen wollen …«
    Paulus wartete, bis die Reisegruppe die Kapelle verlassen hatte. »Walter von Lomersheim!«, sagte er. »Das ist bestimmt kein Zufall. Entweder hat unser Autor sich vom Namen des Klosterstifters inspirieren lassen, oder es gab tatsächlich einen Mönch, der Hermo von Lomersheim hieß, ein Nachfahre jenes Walter. Es war im Mittelalter durchaus üblich, dass die Kinder von Adligen ins Klostergingen, vor allem zweit- oder drittgeborene Söhne, die nicht als Erben die Herrschaft über den Familienbesitz übernehmen konnten.«
    »Das heißt, das Manuskript ist doch keine Erfindung?«, fragte Mele.
    »Das heißt es nicht. Bloß weil Hermo von Lomersheim möglicherweise tatsächlich gelebt hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er der Autor ist. Wie sollte er auch? Das Buch kann unmöglich im Mittelalter geschrieben worden sein!«
    Mele ersparte es sich, ihm zu widersprechen. Sie hatten ihre Argumente oft genug ausgetauscht. »Also auf nach Speyer!«, sagte sie stattdessen. »Dort finden wir doch bestimmt die Kirche dieses Bischofs, oder?«
    »Allerdings«, bestätigte Paulus. »Und es ist nicht irgendeine Kirche. Der Dom zu Speyer ist die größte noch erhaltene romanische Kirche der Welt und war im Mittelalter mindestens so bedeutend wie der Kölner Dom. Es ist eigentlich viel logischer, dass der Schlüssel dort versteckt ist als hier in diesem abgelegenen Kloster.«
    Sie verließen das Klostergelände und machten sich auf den Weg nach Speyer, das etwa siebzig Kilometer entfernt lag – heutzutage eine Stunde Fahrt mit dem Auto, im Mittelalter ein mindestens drei Tage dauernder Fußmarsch.

29.
Washington D. C., Maryland, Donnerstag 11:07 Uhr
    Jason Butlers Büro befand sich im obersten Stock des Bürogebäudes. Die Fenster hinter seinem Schreibtisch gaben einen großartigen Blick über die Stadt

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