Die Achte Suende
Sie es nicht für nötig finden, mir Ihren Namen zu nennen«, begann Malberg aufbrausend; doch er konnte den Satz nicht vollenden.
»Marlene ist tot«, unterbrach ihn der Unbekannte. »Warum schnüffeln Sie in ihrem Privatleben herum? Lassen Sie vor allem Liane aus dem Spiel!«
»Aber Marlene wurde ermordet! Wer immer Sie sind, Mister Unbekannt, wenn Ihnen an Marlene oder ihrer Schwester gelegen ist, müssen Sie doch an der Aufklärung dieses Verbrechens interessiert sein!«
Da entstand eine Pause, die sich endlos in die Länge zog.
»Hallo?« Lukas presste den Hörer gegen sein Ohr. Aber er vernahm nur ein fernes Rauschen. Gerade wollte er die Verbindung beenden, als die dunkle, eiskalte Stimme erneut zu reden begann.
»Malberg, das ist eine ernste Warnung! Eine zweite wird es nicht geben. Sie werden allmählich lästig. Denken Sie an Giancarlo Soffici, den Sekretär von Kardinal Philippo Gonzaga!« – Ein Knacken, ein Rauschen, dann war die Leitung tot.
Malberg erhob sich. Er fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Der Anruf des Unbekannten gab ihm neue Rätsel auf: Wer war der Mann? Woher kannte er seine Mobiltelefonnummer und seinen Namen? Wieso wusste der Mann, dass er Liane Ammer angerufen hatte? Was hatte der Hinweis auf den Sekretär Gonzagas zu bedeuten?
Es war kalt, und Malberg fröstelte. Nachdenklich schloss er die Fenster und blickte durch die angelaufenen Scheiben auf die regennasse Straße. Die lag verlassen um diese Zeit.
Um seine Stirn zu kühlen, hinter der die Gedanken Funken schlugen, presste Malberg den Kopf gegen die feuchte Fensterscheibe. Er schloss die Augen. Das Nichtsehen tat ihm gut. Dunkelheit fördert den Fluss der Gedanken. Doch an diesem Abend schien alles vergeblich.
Vor dem Haus hielt ein Auto. Malberg öffnete die Augen, trat einen Schritt vom Fenster zurück aus dem Lichtstrahl, den die Straßenlaterne nach oben schickte. Ein Mann stieg aus und verschwand im Haus gegenüber. Kurz darauf gingen im zweiten Stock die Lichter an, geradewegs in Höhe seines Apartments.
Verunsichert stürzte Malberg zum Lichtschalter und knipste das Licht aus. Dann trat er wieder ans Fenster. In der Wohnung gegenüber war auch das Licht erloschen. Sein Herz raste, als hätte er einen Tausend-Meter-Lauf hinter sich. Starr blickte er auf die Hausfassade gegenüber. Er wagte nicht einmal, die Jalousien herunterzulassen.
Warum hatte er den unbekannten Anrufer nicht in ein Gespräch verwickelt? Warum hatte er sich verhalten wie ein schüchterner Pennäler?
Aus dem Haus gegenüber trat der Mann von vorhin auf die Straße, ging auf seinen Wagen zu und fuhr davon. In Situationen, die den Verstand überfordern – ging es Malberg durch den Kopf –, wird selbst eine Katze zum Tiger. Er schnappte nach Luft. Da riss ihn das Mobiltelefon erneut aus seinen Gedanken.
Erst wollte er das Gespräch nicht annehmen. Aber als der Signalton nicht enden wollte, meldete er sich zaghaft, ohne seinen Namen zu nennen: »Ja?«
»Verdammt, wo steckst du?«, hörte er Caterina sagen. Ihre Stimme wirkte auf ihn wie eine Erlösung.
»Gott sei Dank!«, sagte er leise.
»Wie – Gott sei Dank?«, fragte Caterina zurück. »Ich habe doch noch gar nichts gesagt. Ist bei dir alles in Ordnung?«
Malberg geriet ins Stottern: »Ja, das heißt nein. Gerade hatte ich einen merkwürdigen Anruf.«
»Von wem?«
»Das wüsste ich gerne selbst. Der Mann hatte eine tiefe, eiskalte Stimme. Auch auf Nachfragen verschwieg er seinen Namen.«
»Und was wollte er?«
»Ich solle aufhören, in Marlenes Leben herumzuschnüffeln. Und vor allem solle ich ihre Schwester aus dem Spiel lassen. Und dann sagte er etwas Merkwürdiges: Ich solle an den Sekretär von Kardinal Gonzaga denken. Seinen Namen habe ich vergessen.«
»Monsignor Giancarlo Soffici?«
»Ja, ich glaube, so heißt er.«
Ein langes Schweigen folgte.
Nach einer Weile begann Malberg: »Caterina, warum sagst du nichts? Was ist los?«
»Ich habe Angst um dich«, erwiderte sie schließlich.
»Angst?« Malberg gab sich Mühe, die Ruhe zu bewahren. »Wieso Angst?«
»Liest du denn keine Zeitungen?«
»Bedauere, nein! Bisher hatte ich keine Zeit dazu.«
»Die italienischen Zeitungen berichten vom tragischen Tod des Sekretärs von Kardinal Gonzaga.«
»Was ist daran so tragisch?«
»Er verunglückte auf einer Bergstraße, die zu einer Burg am Rhein führt – Burg Layenfels. Kennst du diese Burg?«
»Nie gehört. Am Rhein gibt es viele alte Burgen.«
»Die Geschichte ist
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