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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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zugeknöpft war, begann die obersten Knöpfe zu lösen. Schließlich zog er aus der Innentasche die handtellergroße Cellophantüte hervor, die er wohlverpackt aus Sofficis Wagen geangelt hatte, bevor dieser in die Luft flog.
    Als Professor Murath erkannte, was Anicet in der Hand hielt, geriet er in Stottern: »Das – ist – doch – das – ist …«
    »Das fehlende Teilstück aus dem Tuch!«
    »Und Sie sind sicher?«
    »Absolut sicher, Professor!«
    »Sieht so aus, als wären Blutreste darauf zu erkennen«, bemerkte Murath und hielt die Reliquie gegen das Licht.
    Anicet nickte. »Ich hoffe, diesmal sind es wirklich Blutreste, die Jesus von Nazareth zugeschrieben werden können.«
    Der Professor sah den Ex-Kardinal prüfend an: »Woher wollen Sie das wissen? Wenn es so wäre, hätten wir alle Probleme gelöst!«
    »Ich weiß. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Dieses winzige Stück Stoff wird seit geraumer Zeit auf dem Schwarzmarkt angeboten. Auch mit List und viel Geld gelang es Kardinalstaatssekretär Gonzaga nicht, die Reliquie in seinen Besitz zu bringen. Die letzten Forderungen beliefen sich auf eine sechsstellige Summe. So viel verlangt man nicht für ein Objekt, das diesen Preis nicht wert ist. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich für diese Stoffprobe interessieren. Könnte es sein …«
    »Unmöglich«, fiel ihm Murath ins Wort. »Sie glauben, ein anderer Forscher könnte sich mit derselben Sache beschäftigen?«
    »Genau das meinte ich!«
    »Herr Kardinal!«
    »Auf diese Anrede kann ich gerne verzichten.«
    »Nun gut. Herr Ex-Kardinal. Ich habe ein halbes Leben damit verbracht, mir diese Hypothese zu erarbeiten. Und, in aller Bescheidenheit, ich gelte noch heute als Koryphäe auf dem Gebiet der Molekularbiologie und Molekulargenetik, obwohl meine Zeit am Whitehead Institute in Cambridge, Massachusetts, schon ein paar Jahre zurückliegt. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass
ich
es war, der den weltweiten Ruf dieses Forschungsinstituts begründet hat.«
    »Kein Mensch will Ihnen diese Meriten absprechen, Professor. Ich zuallerletzt, und ich wäre froh, wenn Sie recht behielten. Denn wenn andere uns zuvorkämen, wäre das eine Katastrophe für die gesamte Bruderschaft.«
    »Ich weiß«, entgegnete Murath mit dem Grinsen eines Mannes, der sich seiner Sache immer noch sicher ist.
    Wortlos streifte sich der Professor weiße Gummihandschuhe über. Mit erhobenen Armen wie ein ertappter Gauner sah der blasshäutige Mann, der das Tageslicht mied, noch unheimlicher aus als gewöhnlich. Schließlich öffnete er einen Laborschrank mit Milchglasfront und entnahm ihm eine Plexiglas-Schale, vierzig mal sechzig Zentimeter, mit dem gefalteten Tuch.
    Auf dem Labortisch in der Mitte des Raumes, einem Seziertisch in der Pathologie nicht unähnlich, entfaltete er vorsichtig das Tuch. Nur andeutungsweise war der Negativ-Abdruck einer menschlichen Gestalt zu erkennen. Umso deutlicher stach die briefmarkengroße Fehlstelle ins Auge.
    Anicet reichte Murath die Cellophantüte mit dem kostbaren Inhalt. Mit einer Pinzette nahm der Professor die Stoffprobe heraus. Die Anspannung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Ein Stockwerk tiefer und keine zwanzig Meter Luftlinie vom Ort des Geschehens entfernt, in Dr. Dulazeks Zelle, saßen zur selben Zeit der Zytologe und der Hämatologe Ulf Gruna über einen Tisch gebeugt vor einem winzigen Empfänger, kaum größer als eine Zigarettenschachtel. Vergeblich versuchte Dulazek die Lautstärke des elektronischen Geräts höher zu regulieren. Aber außer einem Zischen und Rauschen war kein einziger Ton zu vernehmen.
    »Was ist los?«, flüsterte Dulazek ungeduldig. »Ich höre nichts!«
    Gruna, dem es vor einer Woche gelungen war, unbemerkt unter dem Labortisch Professor Muraths eine Wanze zu setzen, zuckte mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht, was los ist. Eben hat die Abhöranlage noch funktioniert.«
    »Jetzt aber nicht mehr. Verdammt, gerade jetzt, wo es spannend wird. Murath wird das Ding doch nicht etwa entdeckt haben?«
    »Unmöglich. Das hörte sich ganz anders an.«
    Plötzlich krächzte es aus dem kleinen Lautsprecher des Empfangsgeräts. »Wie sind Sie eigentlich an das fehlende Objekt herangekommen, Herr Ex-Kardinal?«
    Langes Schweigen. Dulazek und Gruna sahen sich erwartungsvoll an. Immer noch Schweigen.
    Dieselbe Stimme: »Lassen Sie mich raten: Es steht im Zusammenhang mit Soffici, dem Sekretär von Kardinal Gonzaga. Aber Sie sagten

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