Die Achte Suende
Gutdünken aus. Sie halten sich eher an die Apokalypse des Johannes, wo es heißt: >Kaufe von mir im Feuer geläutertes Gold, damit du reich werdest.<«
Der Monsignore staunte. »Die Geheime Offenbarung des Johannes scheint bei den Flagrantes eine große Rolle zu spielen.«
»Ich will Ihnen auch sagen, warum«, pflichtete der Bruder Soffici bei. »Der Text der Apokalypse ist mit so vielen Rätseln behaftet, dass sich beinahe alles hineininterpretieren lässt. Aber jetzt entschuldigen Sie mich. Ich glaube, ich habe schon viel zu viel geredet. Gott befohlen!«
Lautlos, wie er gekommen war, verschwand Zephyrinus mit dem Frühstückstablett.
Alberto öffnete das Fenster und atmete die kühle Morgenluft ein. Im ersten Licht des Tages erkannte er tief unten den unbefestigten Weg, auf dem sie gekommen waren. Vom Rhein, der sich hinter Bäumen und Buschwerk verbarg, stiegen Schleier von Nebelschwaden auf. Es roch nach feuchtem Laub. Am jenseitigen Flussufer hörte man das säuselnde Geräusch eines Schnellzuges.
Urplötzlich trat Kardinalstaatssekretär Gonzaga ins Zimmer. Hinter ihm ein Bruder, der ihnen bisher noch nicht begegnet war.
»Wir reisen ab«, sagte Gonzaga leise. Er schien verstört.
Auf Alberto und Soffici wirkte die Nachricht erlösend. Keiner wagte eine Frage zu stellen. Gemeinsam trotteten sie hinter dem Bruder her.
Im Innenhof der Burg wartete Albertos Fiat. Alberto liebte seinen Wagen, wie alle Männer das tun; aber er hatte noch nie so viel Zuneigung zu seinem Gefährt empfunden wie in diesem Augenblick, als er den Motor startete. Soffici nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Gonzaga auf dem Rücksitz.
Weit und breit war niemand zu sehen. Das Eingangstor stand offen. Alberto gab Gas. Ein erlösendes Geräusch.
Der schwere Regen in der Nacht hatte tiefe Furchen in den unbefestigten Weg gewaschen. Alberto fuhr im Schritttempo bergab.
Hinter der ersten Biegung versperrte plötzlich ein Mann mit ausgebreiteten Armen den Weg.
»Das ist Zephyrinus!«, rief der Monsignore entgeistert. »Wo kommt der denn her?«
In seiner zerrissenen Kleidung und mit den ausgebreiteten Armen sah Zephyrinus aus wie eine Vogelscheuche.
»Wer ist das? Woher kennen Sie seinen Namen?«, knurrte der Kardinal unwillig.
Aber noch ehe Soffici antworten konnte, trat Zephyrinus an die Fahrerseite. Alberto kurbelte das Seitenfenster herab.
»Ich bitte Sie«, keuchte der Bruder atemlos, »nehmen Sie mich mit!«
»Wie kommen Sie hierher?«, erkundigte sich der Chauffeur.
Zephyrinus zeigte nach oben, und Alberto lehnte sich aus dem Wagenfenster. Über ihnen baumelte ein Seil aus einem Fenster.
»Sie sind ...?«
»Ja«, antwortete Zephyrinus tonlos.
Aus dem Fond des Wagens tönte Gonzaga ungeduldig: »Was will der Mann? Fahren Sie weiter!«
»Ich bitte Sie im Namen des Herrn«, flehte der Bruder.
»Sie sollen fahren!«, rief Gonzaga verärgert.
Alberto warf dem Monsignore einen fragenden Blick zu. Aber der reagierte nicht. Alberto ahnte, was es für Zephyrinus bedeutete, wenn sie ihn hier stehen ließen.
»Weiter!«, schrie der Kardinal.
Da schloss Alberto das Seitenfenster. Er sah gerade noch das verzweifelte Gesicht des Bruders. Da fiel ein Schuss. Ein Blutschwall klatschte gegen die Seitenscheibe. Zephyrinus sank stumm zu Boden.
Es dauerte endlose Sekunden, bis alle begriffen, was geschehen war. Als Soffici das Blut sah, das über die Scheibe rann, drehte sich sein Magen um. Er steckte den Kopf aus dem Wagen und übergab sich.
Da wiederholte Gonzaga wütend: »Fahren Sie, Alberto!«
Vorsichtig löste Alberto die Bremse und gab Gas.
Kapitel 8
Ein aufdringlicher Summton riss Malberg aus dem Schlaf. Durch die Vorhänge seines Hotelzimmers fiel ein dünner Sonnenstrahl. Die Uhr an seinem Bett zeigte acht Uhr fünfzig. Malberg hasste es, wenn vor zehn das Telefon klingelte.
»Malberg!«, meldete er sich mürrisch.
»Hier spricht Lorenza Falconieri«, vernahm er die aufgeweckte Stimme der Marchesa.
»Sie? Was verschafft mir die Ehre zu so früher Stunde?«, brummelte Malberg. So ganz war er noch nicht da.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt. Ich selbst habe heute Nacht kaum ein Auge zugetan. Diese Hitze! Dabei habe ich nachgedacht.«
»Und mit welchem Ergebnis?«
Malberg hatte erwartet, die Marchesa würde auf ihr Verhältnis zu Marlene eingehen.
Aber dann sagte sie: »Ich bin bereit, Ihnen die komplette Büchersammlung für zweihundertfünfzigtausend Euro zu überlassen. Vorausgesetzt, das Geschäft geht
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