Die Achte Suende
innerhalb von zwei Wochen über die Bühne. Andernfalls werde ich die Sammlung in einer Fachzeitschrift zum Verkauf anbieten.«
»Zweihundertfünfzigtausend Euro!« Plötzlich war Malberg hellwach. Nach allem, was er bisher gesehen hatte, war die Sammlung vermutlich das Dreifache wert, vielleicht sogar das Vierfache. Das Angebot hatte nur einen Haken: Wie sollte er in zwei Wochen zweihundertfünfzigtausend Euro auftreiben?
Malberg verdiente nicht schlecht. Er führte ein exklusives Antiquariat in der Münchner Ludwigstraße. Aber sein aufwändiger Lebensstil und die Miete für sein Ladengeschäft in bester Lage, seine Etagenwohnung in München-Grünwald und die Kosten für das Personal erforderten einen monatlichen Aufwand von dreißigtausend Euro. In manchem Monat waren seine Ausgaben höher als die Einnahmen.
»Malberg! Sind Sie noch da?«
»Ja,ja«, stammelte Malberg abwesend. »Ich denke nach, wie ich auf die Schnelle eine viertel Million auftreiben kann. Zweihundertfünfzigtausend Euro - das ist kein Pappenstiel.«
»Ich weiß«, erwiderte die Marchesa. »Aber wir wissen beide, dass der Wert der Bücher weit höher liegt. Überlegen Sie sich die Sache. Sie haben zwei Wochen Zeit. Zwei Wochen von heute, keinen Tag länger.«
»Ich verstehe.«
Lorenza Falconieri verabschiedete sich kurz angebunden und ließ Malberg etwas ratlos zurück.
Mit seinem Banker Harald Janik von der HVB stand Lukas Malberg ständig auf Kriegsfuß. Jedes Mal, wenn er zum Ankauf eines teuren Objekts einen Kredit brauchte, fand der Banker tausend Ausreden und beteuerte, die Genehmigung einer so hohen Summe ohne Sicherheiten würde ihn seinen Job kosten. Bedrucktes Altpapier - so pflegte er sich auszudrücken - sei jedenfalls keine Sicherheit.
Malberg musste schnell handeln. Und er handelte.
Am Telefon buchte er Flug LH 3859 von Rom-Fiumicino nach München, Abflug dreizehn Uhr, Ankunft vierzehn Uhr fünfünddreißig. Mit dem Taxi führ er zur Marchesa, machte mit seiner Digitalkamera ein paar Aufnahmen von der Sammlung und saß zwei Stunden später im Flugzeug nach Deutschland.
In München führte sein erster Weg vom Flughafen zur HVB-Zentrale am Promenadeplatz. Der protzige Bau aus der Gründerzeit stank nach Geld wie alle großen Bankgebäude. Auf dem Flug hatte sich Malberg eine Verhandlungsstrategie zurechtgelegt. Dazu hatte er die Fotos, die er am Morgen aufgenommen hatte, am Flughafen im Format dreißig mal vierzig ausdrucken lassen.
Zu seinem Erstaunen begegnete der Banker dem Wunsch nach einem Kredit weit weniger ablehnend als erwartet. Die großformatigen Bilder fanden sogar sein reges Interesse.
Malberg konnte sich den Sinneswandel Janiks zunächst nicht erklären. Aber er hatte auch noch nicht die Summe genannt, die er dringend benötigte.
»Was ist das Ganze wert?«, fragte Janik von oben herab.
Malberg schluckte. »Meinen Sie den Marktwert oder die Summe, für die ich die Bücher erwerben kann?«
»Als Banker und für die Kreditvergabe interessiert mich natürlich beides.«
»Ein Marktwert von zwei bis drei Millionen ist sicher realistisch.«
Harald Janik pfiff leise durch die Zähne. »Und wie hoch beläuft sich der Einkaufspreis?«
»Zweihundertfünfzigtausend Euro.«
»Und die wollen Sie als Kredit.«
»So ist es.«
»Warten Sie einen Augenblick!« Der Banker erhob sich von seinem staubfreien Stahlrohr-Schreibtisch und verschwand.
Malberg überlegte, wie er einem abschlägigen Bescheid begegnen sollte. Aber noch während er darüber nachsann, ohne eine Lösung zu finden, kam Janik zurück.
»Sie sind mir durchaus als seriöser Geschäftsmann bekannt«, begann er ungewohnt freundlich. »Obwohl wir Ihre Angaben ad hoc nicht nachprüfen können, vertrauen wir Ihnen. Nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung erhalten Sie einen Kredit von zweihundertfünfzigtausend Euro für zwölf Monate zum Tageszins - unter
einer
Bedingung!«
»Und die wäre?«
»Sie bieten unserer Bank die besten Stücke der Sammlung zu einem Vorzugspreis an.«
Malberg wusste nicht, wie ihm geschah. Er sah Janik prüfend an, ob er seine Worte ernst meinte.
Janik fing seinen kritischen Blick auf und sagte: »Sie wundern sich vielleicht über meine Freigebigkeit.«
»Ehrlich gesagt, ja.«
»Dazu müssen Sie wissen, dass die Anlagestrategie der HVB zunehmend Kunst-und Antiquitäten mit einbezieht. Die Zeiten zweistelliger Steigerungsraten auf dem Immobilienmarkt sind vorbei. Die bedeutsamsten Kunstwerke gehören heute entweder dem
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