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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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jedoch von anderen unterscheidet, ist seine besondere Formulierungskunst. Was hat es zu bedeuten, wenn er schreibt, er sei Ihnen ›dem Himmel so nah‹ begegnet?«
    Gonzaga erhob sich hinter seinem Schreibtisch, verschränkte die Hände auf dem Rücken und ging unruhig auf und ab. Schließlich schloss er das Fenster, als wollte er vermeiden, dass ihr Gespräch belauscht würde, und sagte: »Soffici, Sie sind mir ein treu ergebener Sekretär, und bisher hatte ich keinen Grund zur Klage. Ich habe Sie bedenkenlos in die Zusammenhänge um das Grabtuch unseres Herrn eingeweiht.«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Excellenza. Gab Ihnen je eine Indiskretion von meiner Seite Anlass zur Klage?« Es schien fast, als hätte Soffici ein schlechtes Gewissen.
    »Nein, durchaus nicht. Ich wollte Sie nur noch einmal darauf aufmerksam machen, wie brisant die Angelegenheit ist. Also bitte kein Wort, nicht einmal eine Bemerkung Außenstehenden gegenüber. Und in diesem Fall ist jeder ein Außenstehender, selbst ein Kurienkardinal.«
    Soffici nickte stumm.
    »Auf dem Flug von Frankfurt nach Mailand«, begann Gonzaga leise, »setzte sich plötzlich ein Fremder neben mich und hielt mir ein eingeschweißtes Stückchen Stoff unter die Nase, nicht viel größer als eine Briefmarke und in der Form eines geometrischen Trapezes.«
    »Der Herr sei uns gnädig. Ich ahne Furchtbares. Das fehlende Stück Stoff aus dem Grabtuch!«
    »Ihre Ahnung trügt Sie nicht, Soffici. Nur – die Sache ist noch schlimmer, als Sie glauben. Auf dem winzigen Stück Leinen ist deutlich eine Blutspur zu erkennen …«
    »Nein! Und ich dachte, die Angelegenheit sei mit unserem Besuch auf Burg Layenfels endlich aus der Welt geschafft.«
    »Das dachte ich auch.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wer der mysteriöse Geschäftemacher sein könnte?«
    »Der Fremde verschwieg seinen Namen. Und selbst wenn er sich vorgestellt hätte, hätte er ohnehin nur einen falschen Namen genannt. Das Besondere an ihm war seine beklagenswerte Erscheinung. Er hatte fürchterliche Brandwunden im Gesicht und versuchte sie mit einem schwarzen Schlapphut zu kaschieren.«
    »Und was wollen Sie jetzt tun, Excellenza? Sie tragen sich doch nicht etwa mit dem Gedanken, auf seine Forderung einzugehen? Ich meine, hunderttausend Dollar sind eine Menge Geld für ein Stück Stoff, von dem nicht einmal sicher ist, ob es überhaupt echt ist. Andererseits …«
    Gonzaga ließ eine lange Pause verstreichen. Schließlich antwortete er stockend: »Was sind hunderttausend Dollar im Vergleich zu dem Schaden, den diese Reliquie anrichten kann. Sie wissen, wovon ich rede.«
    »Ich weiß!« Soffici nickte heftig. »Dennoch – es handelt sich um eine handfeste Erpressung …«
    Als hätte der Monsignore das Stichwort gegeben, summte das Telefon auf dem Schreibtisch des Kardinals. Soffici hob ab und lauschte, dann reichte er den Hörer an Gonzaga weiter: »Für Sie!«
    »Sie haben meine Nachricht erhalten?« Der Kardinal erkannte die Stimme sofort.
    »Ja«, erwiderte er leise.
    »Gut. Ich erwarte Sie mit der Summe in einer Plastiktüte. Morgen nach Einbruch der Dunkelheit um einundzwanzig Uhr.«
    »Und wo?«
    »Auf der Piazza del Popolo. Ich nehme an, Sie kommen mit Ihrem Chauffeur und sitzen wie immer hinten rechts. Er soll im Kreisverkehr die äußere Fahrspur wählen und so lange den Obelisk umrunden, bis ich mich mit einer blinkenden Handlampe bemerkbar mache. Ich werde mit der Lampe ein Kreuz beschreiben. Dann soll Ihr Chauffeur den Wagen zum Stehen bringen. In zehn Sekunden ist alles über die Bühne.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Geld gegen Ware. Vertrauen gegen Vertrauen. Einen zweiten Übergabetermin wird es nicht geben.« Der Unbekannte legte auf.
    »Excellenza!« Mit besorgtem Blick trat Soffici vor den Kardinalstaatssekretär. »Sie haben doch nicht etwa eingewilligt?«
    »Doch, Soffici, doch!«
    »Hunderttausend …«
    »Dollar.«
    »Und wie wollen Sie diese Summe verbuchen, Excellenza?«
    »Das lassen Sie ruhig meine Sorge sein. Für Fälle dieser Art gibt es einen Geheimfonds. Darüber sollten Sie sich also nicht den Kopf zerbrechen.«
    Soffici verneigte sich devot. Der Geheimfonds für außerordentliche Belange der Kirche war ihm nicht unbekannt. In der Kurie machten abenteuerliche Summen die Runde, welche auf geheimen Konten gebunkert waren und für besondere Vorkommnisse zur Verfügung standen. Angeblich stammte das Geld aus sogenannten Donationen, mit denen hochgestellte Persönlichkeiten

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