Die Achte Suende
Mobiltelefon aus der Umhängetasche. Mit theatralischen Gesten, wie sie allen Italienerinnen beim Telefonieren geläufig sind, redete sie auf ihren Gesprächspartner ein. Schließlich veränderte sich ihre Haltung in stummes Staunen.
Als sie zurückkam, machte Caterina einen verwirrten Eindruck. »Sie haben die Marchesa verhaftet«, sagte sie nachdenklich.
»Also doch«, entfuhr es Malberg.
»Was soll das heißen: also doch?«
»Die Marchesa hat Marlene umgebracht. Mein Gott!«
Caterina fuchtelte wild mit den Armen. »Signore, was reden Sie? Mein Gewährsmann bei der Guardia Civil hat mir eben erklärt, es gebe erdrückende Beweise, dass Lorenza Falconieri seit dem Tod ihres Mannes einen internationalen Hehlerring leitete, der auf den Handel von gestohlenen Inkunabeln und Codices spezialisiert ist.«
»Die Marchesa?« Malberg klang eher belustigt als überrascht. »Sie hat mir versichert, nichts, aber auch gar nichts von alten Büchern zu verstehen. Und dabei machte sie nicht gerade den Eindruck, als ob das gelogen wäre.«
»Das haben professionelle Verbrecher so an sich. Mörder sehen selten aus, wie man sich einen Mörder vorstellt. Und Hehler, die mit Millionenwerten umgehen, geben mit Vorliebe ein Bild des Jammers ab. Man merkt, dass Ihnen diese Kreise fremd sind.«
Während sie noch diskutierten, trat auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Marchesa, flankiert von zwei Carabinieri, aus dem heruntergekommenen Haus. Sie trug ein kurzärmeliges, helles Leinenkostüm und hochhackige Sandaletten. Als sie Malberg erblickte, blieb sie stehen und hob die Schultern. Dabei legte sie den Kopf schräg, als wollte sie sagen: Tut mir leid. Nun wird das wohl nichts mit unserem Geschäft. Dann stieg sie in das wartende Polizeifahrzeug.
»Ein in Monte Carlo lebender Sammler brachte die Sache ins Rollen«, bemerkte Caterina, während sie dem Polizeifahrzeug hinterherblickte. »Die Marchesa hat ihm einen uralten Folianten mit der Handschrift des Reformators Melanchthon für eine halbe Million angeboten. Was sie nicht wusste, ebendieses Buch war vor zwei Jahren bei einem Einbruch in seinem Apartment gestohlen worden. Künstlerpech.«
Malberg lachte, er lachte laut und gekünstelt, so als wollte er sich von einem Albtraum befreien. Als er Caterinas fragenden Blick auffing, griff er in die Innentasche seines Jacketts, zog den Bankscheck hervor und hielt ihn mit spitzen Fingern der Reporterin vor die Nase.
»Eine viertel Million? Doch nicht etwa …«
»Doch. Und ich dachte, das Geschäft meines Lebens zu machen. Eine seltsame Fügung hat mich jedenfalls vor der Pleite meines Lebens bewahrt.«
»Dann darf man wohl gratulieren, dass Ihnen das Geschäft durch die Lappen gegangen ist.«
»Ja, das darf man.« Malberg schüttelte den Kopf. »Ich verstehe mich selbst nicht. Eigentlich hätte ich misstrauisch werden müssen, als die Marchesa mir die ganze Sammlung für eine viertel Million anbot. Aber Profitgier vernebelt das Gehirn. Gott sei Dank ist es gerade noch einmal gut gegangen.«
Malberg war mit seinen Gedanken weit weg, als die Reporterin plötzlich die Frage stellte: »Können Sie sich vorstellen, dass zwischen dem Mord an Marlene Ammer und den dunklen Geschäften der Marchesa ein Zusammenhang besteht? Schließlich kannten sich die beiden.«
»In der Tat«, rutschte es Malberg heraus. »Es wäre nicht der erste Mord, hinter dem ein kostbares Buch steckt.«
Kapitel 11
Das Mädchen lief leicht wie eine Feder die Kölner Rheinpromenade entlang. Es trug luftige Joggingkleidung, und sein zum Pferdeschwanz gebundenes langes Haar wippte munter hin und her. Vom Fluss, der sich im Morgenlicht träge dahinwälzte, stieg angenehme Kühle auf.
In kurzen Abständen blieb das Mädchen stehen, wandte sich um und rief: »Shakespeare! Shakespeare!«
Dann setzte sich von irgendwoher ein weißes Knäuel, ein putziger Westhighland-Terrier, in Bewegung und schloss zu seiner laufenden Herrin auf. Warum Frauen ihre Hunde mit Vorliebe nach großen Dichtern oder Künstlern benennen, ist im Übrigen so ungeklärt und rätselhaft wie die Geheime Offenbarung des Johannes und bedarf auch keiner weiteren Erörterung.
An der Stelle, wo die Ausflugsdampfer der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt ankern, begann »Shakespeare« so hysterisch zu bellen, als sei ein Dutzend bissiger Rottweiler hinter ihm her. Die Rufe des Mädchens vermochten das Tier nicht zu beruhigen, und als es schließlich zu dem aufgeregten Tier zurückging, machte
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