Die Achte Suende
die Ungültigkeit ihrer Ehe erkauft hatten. Der Fonds existierte ohne Buchführung, und Zugriff darauf hatte nur Kardinalstaatssekretär Gonzaga.
»Die Situation ist nicht ungefährlich«, bemerkte der Monsignore mit ernstem Gesicht. »Wer immer sich hinter dem Unbekannten verbirgt, diese Leute haben Insiderkenntnisse. Wie anders ist es zu erklären, dass das Telefongespräch direkt auf Ihrem Hausapparat landete. Die Nonnen der Famiglia Paolina in der Telefonzentrale würden nie einen anonymen Anrufer durchstellen.«
Gonzaga blickte auf: »Sie glauben also, es existieren geheime Kontakte der Unterwelt bis hinter die Leoninischen Mauern?« Der Kardinal zog ein übergroßes Taschentuch aus seinem Talar und wischte sich den Schweiß von seiner Glatze.
Monsignor Soffici verzog sein Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. Dann betrachtete er die Fingernägel seiner Rechten und antwortete, ohne aufzublicken: »Wer will das wissen, Excellenza?«
Kapitel 13
Am folgenden Tag machte sich Malberg auf zu Marlenes Haus in der Via Gora 23. Die Ereignisse um die Marchesa tags zuvor hatten ihn ziemlich mitgenommen. Wie betäubt hatte er sich von der Reporterin verabschiedet und mit einer Flasche Barbaresco aus einer nahen Weinhandlung in sein Hotelzimmer zurückgezogen. Der schwere Rotwein war nicht ohne Wirkung geblieben und hatte Malberg für volle zehn Stunden ins Land der Träume geschickt.
Was die Träume betraf, so zeigten sie sich wirr und unerklärlich, geradeso wie die Situation, in die er ohne sein Zutun geraten war. Aber eine innere Stimme sagte ihm, er solle seine Nachforschungen dort aufnehmen, wo alles begonnen hatte.
Malberg wunderte sich, dass die Eingangstür des Hauses verschlossen war; aber er hatte Glück, eine gut gekleidete Signora trat gerade ins Freie und hielt ihm bereitwillig die Tür auf.
Im Treppenhaus roch es nach frischer Farbe. Es herrschte Totenstille. Obwohl sein Interesse der Hausbeschließerin galt, von der er sich Informationen über Marlenes Umgang erhoffte, zog es ihn zunächst in das oberste der fünf Stockwerke.
Wie bei seinem ersten Besuch verschmähte Malberg den altmodischen Aufzug und nahm die Treppe. Während er behäbig einen Fuß vor den anderen setzte, tauchte vor seinem geistigen Auge immer wieder das Bild der tot in der Badewanne treibenden Marlene auf. Es schien, als habe sich die Momentaufnahme unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt.
Verstört hielt Malberg inne. Zunächst glaubte er, er habe sich im Stockwerk geirrt. Aber dann sah er, dass hier die Treppe endete. Er hatte eine zweiflügelige, weiß gestrichene Wohnungstür in Erinnerung und einen in die Wand eingelassenen Klingelknopf. Stattdessen stand er vor einer weißen Wand. Nur linker Hand, gegenüber dem Treppenabsatz, gab es eine schmale Stahltür, die zum Dachboden führte. Dahinter allerlei Gerümpel.
In diesem Augenblick setzte sich der Aufzug in Bewegung, und von unten drangen die klagenden, fauchenden Geräusche an sein Ohr, die ihm schon damals aufgefallen waren.
Das alles ist etwas zu viel für dich, dachte Malberg. Offensichtlich gelingt es dir nicht mehr, Realität und Einbildung zu unterscheiden. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Spielte ihm die Erinnerung einen Streich? Seit Kindertagen wirkten Treppenhäuser auf ihn bedrohlich und beängstigend. Eine Art Phobie, die ihn offenbar auch gerade im Moment in Verwirrung stürzte. Vermutlich hatte er sich doch im Stockwerk geirrt.
Malberg machte kehrt. Im darunterliegenden Stockwerk gab es zwei Wohnungstüren, links und rechts, beide weiß gestrichen, aber beide sahen anders aus als die Tür zu Marlenes Wohnung. Malberg schellte an der rechten Wohnungstür. – Nichts. Schließlich probierte er es auf der linken Seite. Ein Hund schlug an. Schritte. Ein alter Mann mit wirren schwarzen Haaren öffnete. Er hatte Mühe, die tobende Dogge zu bändigen. Als er Malberg sah, schlug er die Tür zu, noch bevor dieser ein Wort gesagt hatte.
Wie benommen nahm Malberg die Treppen abwärts. Vor der Tür der Hausbeschließerin hielt er inne und lauschte. Klassische Radiomusik drang nach außen. Es gab keine Türglocke. Er klopfte.
Malberg hatte die Hausbeschließerin mit den kurzen Haaren erwartet. Deshalb blieb er, als die Tür geöffnet wurde, zunächst sprachlos. Vor ihm stand eine ältliche Nonne mit verhärmten, strengen Gesichtszügen, in einem braunen Habit mit schwarzem Überwurf.
»Ja bitte?«, fragte sie mit dunkler, heiserer Stimme. Sie war
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