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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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es nicht so sehr auf den Pfeil an als auf den Bogen. Mit einem gut gespannten Präzisionsbogen können Sie durchaus einen Menschen auf zweihundert Meter töten.«
    »Und absolut lautlos!«
    »Das auch – im Gegensatz zum Schuss aus einer Waffe.« Gruna zeigte in einen hinteren Winkel des Burghofes. »Da!«
    Grunas Pfeil hatte eine Taube durchbohrt, die in der Dachrinne genächtigt hatte.
    Dulazek öffnete seine Trommel aus Leichtmetall, entnahm ihr eine in ein weißes Tuch gewickelte Glaspipette und ein Skalpell und hielt Gruna das leere Gefäß hin. Der hob den Pfeil mit dem toten Tier auf und stopfte die Taube in die Trommel.
    »Wir müssen uns beeilen«, flüsterte Ulf Gruna. Im Gegensatz zu seinen Worten war er die Ruhe selbst.
    Dulazek nickte.
    Mit einer Taschenlampe als Lichtquelle stiegen sie die enge Wendeltreppe zum Laboratorium empor. Im zweiten Raum der ineinander übergehenden Zimmerflucht befand sich das hämatologische Labor. Gruna hatte alles vorbereitet.
    Er verdunkelte das einzige Fenster, das zum Burghof zeigte, und schaltete das Licht ein. Für kurze Zeit schmerzte das grelle Neonlicht in den Augen.
    Mit dem Skalpell trennte Dr. Dulazek den Kopf vom Rumpf der Taube. Mit der Pipette sog Gruna das hervorquellende Blut auf. Kaum war die Pipette mit Blut gefüllt, versiegte der Blutfluss.
    »Das dürfte reichen«, stellte er zufrieden fest.
    Gruna stopfte Kopf und Rumpf der toten Taube wieder in die Trommel. Dann löschte er das Licht und nahm die Verdunkelung ab.
    Dulazek hielt Gruna am Arm zurück: »Mir war, als hätte ich Schritte gehört.«
    »Um diese Zeit?«
    »Sie wissen doch, Eric Van de Beek ist wie Anicet ein Nachtarbeiter. Um diese Zeit habe ich allerdings noch nie Licht gesehen.«
    Eine Weile lauschten die beiden in die Dunkelheit. Dann schüttelte Dr. Dulazek den Kopf: »Kommen Sie, viel Zeit haben wir ohnehin nicht.«
    Der tanzende Lichtschein der Handlampe wies den beiden Männern den Weg zu Professor Muraths Labor. Der Raum war der größte von allen und lag am Ende der Zimmerflucht. Er hatte drei Fenster, die, im Gegensatz zu allen anderen Laborräumen, nicht in den Burghof, sondern nach außen mit Blick auf das Rheintal gerichtet waren.
    Gruna schloss die Tür und knipste das Licht an.
    Auf einer langen weißen Anrichte mit einer von unten beleuchteten Milchglasplatte stand noch immer die Versuchsanordnung, mit deren Hilfe der Molekularbiologe »die Welt aus den Angeln heben« wollte. So jedenfalls hatte Murath über seine Entdeckung gesprochen und die Bruderschaft der Fideles Fidei Flagrantes veranlasst, das vermeintliche Original des Turiner Grabtuches in ihren Besitz zu bringen.
    Vor vier Tagen war Murath mit seiner ersten Versuchsdemonstration gescheitert. Damit hatte er – übrigens nicht zum ersten Mal – die Flagrantes in zwei Lager gespalten. Hinter vorgehaltener Hand nannten ihn die einen einen geltungsbedürftigen Schaumschläger, während die anderen der festen Überzeugung waren, Murath, »das Gehirn«, brauche nur etwas Zeit; dann würde er den endgültigen Beweis seiner Hypothese erbringen.
    Um nicht die geringsten Spuren zu hinterlassen, zog sich Dulazek Gummihandschuhe über. Vorsichtig nahm er die Pipette mit dem Blut, wobei er die dünne Öffnung am oberen Ende mit dem Zeigefinger verschlossen hielt.
    »Sie können ›das Gehirn‹ genauso wenig leiden wie ich«, bemerkte Gruna leise, während er jeden Handgriff Dulazeks andächtig verfolgte.
    »Das lässt sich nicht abstreiten!« Der Zellforscher blickte kurz auf. »Ich halte nichts von Wissenschaftlern, die sich aufführen, als wären sie der liebe Gott. Und das sage ich als Agnostiker!«
    »Wenn ich Sie recht verstehe, dann halten Sie Muraths Hypothese für Humbug?«
    »Humbug? Nein, im Gegenteil. Ich befürchte sogar, Murath hat recht mit seiner Theorie. Jedenfalls ist er davon besessen, und er wird mit seinen Forschungen nicht eher nachlassen, bis er den Beweis erbracht hat. Und dann Gnade uns Gott.«
    »Gott?«
    »Ja, darum geht es doch letztlich. Nennen Sie es Gott oder das Absolute, das Gute, den Geist, die Vernunft oder das Licht. Ganz egal.«
    Während Gruna beobachtete, wie der Professor die Glasdeckel von drei handtellergroßen, flachen Glasschälchen abnahm, meinte er verwundert: »Und ich habe Sie für einen Naturwissenschaftler gehalten und nicht für einen Religionsphilosophen!«
    »Ach ja?«, entgegnete Dulazek, und dabei war eine gewisse Ironie nicht zu überhören. »Mag sein, dass Ihr

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