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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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die Lust an der Malerei verloren. Die Zukunft gehört nicht der Kunst, sondern der Wissenschaft. Architektur, Mechanik, Chemie und Optik werden die Welt mehr verändern, als es die Kunst je vermochte.«
    Während Leonardos Exkurs in die Welt der Kunst und Wissenschaft hatte sich Anicet Gedanken gemacht, wie er das einseitige Gespräch auf das Turiner Grabtuch lenken sollte, ohne den Verrückten zu verärgern, der sich ohne Zweifel für den wiederauferstandenen Leonardo da Vinci hielt.
    Da begann der alte Mann völlig unerwartet: »Jetzt werdet Ihr mich natürlich fragen, warum ich mich für einen solchen Schabernack wie die Fälschung des Turiner Grabtuches hergegeben habe. Ich möchte mit einer Gegenfrage antworten.«
    Anicet sah Leonardo erwartungsvoll an.
    Der grinste verhalten und sagte nach einer endlosen Pause: »Würdet Ihr eine halbe Million Euro in den Wind schlagen?«
    »Eine halbe Million?«
    »Eine halbe Million! Und noch dazu aus der Kirchenkasse! Im Übrigen reizte mich die Herausforderung, das schier Unmögliche möglich zu machen.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen. Es ging Ihnen darum, eine Kopie des Grabtuches anzufertigen, die auch wissenschaftlichen Untersuchungen standhält.«
    »Zumindest oberflächlich. Einer exakten Analyse sollte die Kopie mit Absicht nicht standhalten. Das jedenfalls war die Vorgabe von Kardinal Moro. Ich habe lange gebraucht, bis ich auch nur ansatzweise durchschaute, was da eigentlich ablief. Irgendwann wurde mir jedenfalls klar, dass den hohen Herren im Vatikan die Kopie des Grabtuches wichtiger war als das Original.«
    Anicet nickte heftig. »Aber Sie kennen den Grund, warum Moro und der Kurie an der Kopie so viel gelegen war?«
    »Sagen wir so: Ich habe eine Vermutung. Zunächst hatte ich nicht die geringste Ahnung. Ich dachte, die Purpurröcke brauchten die Kopie für Ausstellungszwecke oder andere Anlässe, oder sie hätten Bedenken, das Original könnte geraubt und zum Gegenstand einer unvorstellbaren Erpressung werden. Man mag im Glauben an Jesus von Nazareth stehen, wo man will, für eine Milliarde Menschen ist dieser Herr der leibliche Sohn Gottes, und insofern ist sein Grabtuch von unschätzbarem Wert.«
    Eine Weile sahen sich beide in die Augen, als wollten sie abschätzen, wie weit jeder dem anderen trauen konnte. Vor allem Anicet wurde von Zweifeln geplagt, ob man die Aussagen des Alten für bare Münze nehmen konnte. Schließlich zeigte er deutliehe Anzeichen von paranoider Schizophrenie, die nicht selten hochbegabte und überintelligente Menschen befällt.
    Was Leonardo betraf, so hatte er auf unerklärliche Weise Zutrauen zu dem Fremden gefasst. Vielleicht auch deshalb, weil dieser ihm das Gefühl gab, ernst genommen zu werden.
    »Mich würde interessieren«, begann Anicet vorsichtig, »wie konnte es Ihnen gelingen, die Kopie eines Objektes herzustellen, das in Expertenkreisen schlichtweg als nicht reproduzierbar galt. Nicht reproduzierbar deshalb, weil bisher niemand naturwissenschaftlich erklären konnte, wie der Abdruck auf dem Tuch entstanden ist. Ich selbst habe mich eingehend mit der Literatur beschäftigt, aber eine Theorie ist so unbefriedigend wie die andere. Und was jeden Erklärungsversuch so schwierig macht, ist die Tatsache, dass Jesus von Nazareth ein Negativ auf dem Tuch hinterlassen hat, gleichsam eine Röntgenaufnahme.«
    »Wem sagt Ihr das!« Leonardo schmunzelte wissend. »Das Aussehen des Mannes auf dem Grabtuch ist uns überhaupt erst seit dem Jahre 1898 nach der Zeitenwende bekannt, als das Tuch zum ersten Mal mit einer Plattenkamera fotografiert wurde. Plötzlich sah man auf dem Negativ die realistische Abbildung eines Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten.«
    »Übernatürlichen Fähigkeiten? Messer Leonardo, das müssen Sie mir näher erklären.«
    »Nun ja, lassen wir einmal ganz außer Acht, ob es sich bei dem Toten, der mit dem Tuch bedeckt war, nun wirklich um den seit Jahrtausenden erwarteten Gott und Erlöser handelte, so steht für mich außer Frage, dass dieser Mensch oder Gott oder wer auch immer es war übernatürliche Fähigkeiten besaß. Ich vermute, dass von ihm eine Art Strahlung ausging, welche die weichen Schattierungen auf dem Leichentuch verursacht hat.«
    »Eine kühne Theorie, Messer Leonardo! Aber Sie sind ja bekannt für Ihre kühnen Theorien. Wenn ich recht informiert bin, haben Sie schon vor fünfhundert Jahren den Fallschirm und das U-Boot erdacht ...«
    »Und die Leute haben mich für verrückt

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