Die Achte Suende
nicht unbekannt.«
»Dort habe ich mich abgesetzt, weil ich davon ausgehen muss, dass mein Versteck verraten wurde.«
Barbieri atmete hörbar aus. »Das war auf jeden Fall der richtige Schachzug.«
»Jetzt suche ich eine neue Bleibe. Ohne polizeiliche Meldung, Sie verstehen!«
»Hm …« Barbieri dachte nach. »Das wird nicht einfach sein, ohne neue Mitwisser in Kauf zu nehmen.« Er schwieg eine Weile. »Aber wenn Sie mit einer Kammer in einer bescheidenen Zwei-einhalb-Zimmer-Wohnung vorliebnehmen wollen, könnte ich Ihnen fürs Erste einen sicheren Unterschlupf bieten.«
Und ob Lukas Malberg wollte!
Eine knappe Stunde später drückte Malberg auf den Klingelknopf mit dem Namensschild G. Barbieri. Das Haus lag in einer Seitenstraße hinter dem protestantischen Friedhof zwischen dem Monte Testaccio und der Cestius-Pyramide. Wie die meisten Häuser in der Umgebung hatte es schon bessere Zeiten gesehen. Aber wichtiger als moderner Komfort war Malberg im Augenblick, dass er einfach untertauchen konnte.
»Sie haben hoffentlich nicht von Ihrem Mobiltelefon aus angerufen!«, empfing ihn Giacopo Barbieri an der Eingangstür seiner Wohnung.
»Keine Sorge«, erwiderte Malberg, »ich habe mir Ihre Worte von damals durchaus zu Herzen genommen: kein Hotel, keine Schecks, keine Kreditkarte, kein Mobiltelefon.«
»Gut«, meinte Barbieri und führte Malberg in die Wohnung. »Sie sollten aber auch Schauplätze meiden, die bei Ihren bisherigen Recherchen eine Rolle gespielt haben.«
Malberg nickte, obwohl ihm der Grund dafür nicht ganz einleuchtete.
Auf den ersten Blick entsprach Barbieris Behausung exakt dem Klischee eines Junggesellenhaushalts. In der Küche stapelte sich das dreckige Geschirr von fünf Tagen. Barbieri fing Malbergs Blick auf und meinte: »Sie müssen entschuldigen. Ich war auf Besuch nicht vorbereitet. Manchmal geht es hier etwas drunter und drüber. Das Ende meiner Karriere als Kriminaler bedeutete auch das Aus meiner Ehe. Ehrlich gesagt, trauere ich dem nicht einmal hinterher. Sind Sie eigentlich verheiratet?«
»Ich, nein. Mit zweiundzwanzig habe ich einmal geheiratet, mit fünfundzwanzig war ich wieder frei. Seither bin ich das, was man einen bekennenden Junggesellen nennt. Aber wenn ich ebenfalls ehrlich sein darf – mein Leben als Einzelgänger war bisher eher das Resultat verpasster Möglichkeiten als das Ergebnis fester Vorsätze.«
»Und dann trat diese Marlene Ammer in Ihr Leben, und es hat Sie ganz schön erwischt, habe ich recht?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Berufserfahrung«, antwortete Barbieri lapidar.
Malberg schmunzelte verlegen. »Ich gebe zu, Marlene löste bei unserem Wiedersehen schon ziemlich intensive Gefühle aus. Gut, ich bin wegen dieser Büchersammlung nach Rom gekommen, aber nicht nur. Können Sie sich vorstellen, was in mir vorging, als ich Marlene tot in der Badewanne fand?«
Barbieri nickte stumm.
Das Zimmer, das Barbieri Malberg anbot, war wirklich nur eine Kammer mit einem schmalen hohen Fenster. Dafür blickte man ins Grüne, und es war angenehm kühl. Eine einfache Ottomane und ein Resopal-Kleiderschrank aus den sechziger Jahren mussten fürs Erste genügen. Und obwohl die bescheidene Behausung alles andere als komfortabel war, fühlte sich Malberg irgendwie wohl.
Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik, als Barbieri und Malberg daran gingen, das Geschirr der vergangenen fünf Tage abzuwaschen. Während Malberg einen Teller mit dem Geschirrtuch trocken rieb, als gelte es, einen Hausfrauenwettbewerb zu gewinnen, fragte er unvermittelt: »Sie hatten doch das Obuktionsergebnis von Marlene Ammer in der Hand. Was war Ihr Eindruck?«
«Ehrlich gesagt …«, begann Barbieri.
»Ich bitte darum!«
»Nun ja, mir drängte sich von Anfang an der Verdacht auf, dass es zwei Autopsiebefunde unterschiedlichen Inhalts gibt. Einen echten und einen geschönten. So etwas geht natürlich nur mit einem satten Bestechungsgeld.«
»Ist Ihnen während Ihrer Laufbahn so etwas schon öfter begegnet?« Malberg musterte sein Gegenüber mit erwartungsvollem Blick.
»Nicht gerade oft«, antwortete Barbieri, »aber ich erinnere mich an ein, zwei Fälle …«
»Und wie kam es dazu?«
Der Ex-Polizist wand sich und blickte verlegen zur Seite. Es schien, als wollte er nur widerwillig antworten. Dann räusperte er sich umständlich und meinte: »In beiden Fällen stand die Mafia dahinter.«
»Die Mafia?«
»Sie können sich denken, wie die Sache ausging!«
»Nein. Sagen Sie
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