Die Achte Suende
angewinkelten Beinen auf dem Rücken liegen. Aus ihrem Mund quoll Blut.
Die Marchesa starrte in den Himmel.
»Können Sie mich hören?« Ein Gesicht, das sie nicht kannte.
Ja, antwortete die Marchesa. Aber die Antwort kam nicht an.
»Können Sie mich hören?« Immer wieder: »Können Sie mich hören?«
Dann entfernte sich die Stimme, wurde leiser, kaum noch vernehmbar. Plötzlich war es still. Eine Stille, die sie noch nie erlebt hatte.
Kapitel 30
Pronto!«
Verschlafen griff Caterina zum Telefon. Journalisten sind nun einmal keine Frühaufsteher, und ein Anruf früh um acht gilt in ihren Kreisen beinahe als Beleidigung. Und nach dem gestrigen Zerwürfnis mit Malberg hatte sie die ganze Nacht kein Auge zugetan.
»Mein Name ist Mesomedes, Dottor Achille Mesomedes, von der Staatsanwaltschaft Roma uno.«
»Und um mir das zu sagen, rufen Sie zu nachtschlafender Zeit an?«, erwiderte Caterina unwillig.
»Verzeihen Sie, Signora Lima, ich kann später noch einmal anrufen.«
»Nein, lassen Sie nur! Worum geht es?«
»Um den Fall Marlene Ammer.«
Plötzlich war Caterina hellwach. »Und was habe ich damit zu tun?«
»Ich habe mir die Akten noch einmal kommen lassen«, fuhr der Staatsanwalt fort, »und ich muss sagen, da gibt es eine Reihe von Ungereimtheiten. Ich würde sogar sagen, der Aktenstand wirft mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Unter anderem stieß ich auf einen Bericht in Ihrem Magazin, der Sie als investigative Rechercheurin ausweist. Ich würde mich gerne einmal kurz mit Ihnen unterhalten. Ich plane den Fall neu aufzurollen, und dazu ist mir jede Information wichtig.«
»Sie haben Mut, Dottor Mesomedes! Soweit mir bekannt ist, wurde die Akte Marlene Ammer trotz vieler Fragen und Ungereimtheiten geschlossen. Ich vermute auf Weisung von höchster Stelle. Glauben Sie, da noch etwas ausrichten zu können?«
»Ich glaube an die Gerechtigkeit, Signora Lima, und dies ist meine erste Stelle als Staatsanwalt!«
»Hoffentlich nicht Ihre letzte«, rutschte es Caterina heraus.
»Wie meinen Sie das?«
»Wissen Sie –« Caterina machte eine Pause, sie musste sich wirklich jedes Wort überlegen, »alle, die sich bisher mit diesem Fall beschäftigten, liefen gegen eine Mauer. Oder sie wurden bespitzelt. Oder …«
»Oder?«
»Oder sie wurden vermutlich mit Geld dazu gebracht, Ihre Nachforschungen einzustellen.«
»Und Sie?«
»Nein, Geld hat man mir nicht geboten. Aber ich wurde in ein anderes Ressort versetzt. Und damit war mir der Fall entzogen.«
»Interessant!«, stellte Mesomedes fest. »Wirklich interessant.«
»Wenn Sie es so nennen wollen. Ich würde eher sagen, mysteriös. Höchst mysteriös!«
Plötzlich kam Caterina der Gedanke, der Staatsanwalt wolle sie nur wegen Malberg aushorchen. Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, da meinte Mesomedes eher beiläufig: »Sie haben doch auch diesen Antiquar Malberg kennengelernt, nach dem noch gefahndet wird. Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
Caterina stutzte. Was wusste dieser Mesomedes? War das eine Falle? Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte nicht sagen können, wo Malberg sich zurzeit aufhielt. Als sie nach dem Streit versucht hatte, ihn in der Pension zu erreichen, war er nicht mehr da gewesen. Und auch Paolo hatte sich bislang nicht mehr blicken lassen.
»Signora Lima, sind Sie noch da?« Die Stimme des Staatsanwalts klang kalt und fordernd: »Meine Frage war, ob Sie den Aufenthaltsort dieses Malberg kennen.«
»Malberg? Nein. Wie kommen Sie darauf?«
»Sie erwähnten ihn in Ihrem Bericht.«
»Ja, ich erinnere mich.« Caterina spielte die Unwissende. »Warum wird eigentlich nach ihm gefahndet?«
»Nach meinen Unterlagen war dieser Malberg vermutlich der Letzte, der Marlene Ammer lebend gesehen hat. Jedenfalls hat er kurz vor ihrem Tod noch mit ihr telefoniert. Das ergaben die Ermittlungen.«
»Ach ja! Halten Sie ihn für den Mörder?«
»Ich möchte einmal so sagen: Malberg steht unter Tatverdacht. Allein die Tatsache, dass er untergetaucht ist, macht diesen Mann in hohem Maße verdächtig.«
»Sind Sie überhaupt sicher, dass er sich heimlich abgesetzt hat? Ich meine, vielleicht weiß er überhaupt nicht, dass nach ihm gefahndet wird. Vielleicht befindet er sich auf einer Auslandsreise in England oder den USA, um neue Einkäufe zu tätigen.«
»Durchaus möglich, aber unwahrscheinlich. Nachforschungen in Deutschland haben nämlich ergeben, dass nicht einmal seine Angestellten wissen, wo er sich derzeit aufhält.
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