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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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geschrieben: der Reeder und Werftbesitzer Rosländer.

50
    Zweimal im Jahr ging in der Kanzlei das Licht nicht aus. Dann ließ sich Theuerkauff sein schmales Bett aufschütteln, das in dem zur Schlafkammer umgewidmeten Abstellraum darauf wartete, dass der Advokat sich für eine Viertelstunde hinlegte, bevor er aufstand, um zu schauen, wie weit die Mitarbeiter in der Zwischenzeit mit den aufgetragenen Arbeiten gekommen waren.
    Die Advokaten und Schreiber hatten sich die Nachtstunden geteilt, je eine Hälfte arbeitete eine halbe Schicht. Jeder kannte diese Übung, niemand würde es wagen, die Übung in Frage zu stellen. Die ehrgeizigen Mitarbeiter fühlten sich geschmeichelt, dieser wichtigen Stunden teilhaftig werden zu dürfen. Sogar die Herren Professoren, mit der Kutsche abgeholt, genossen die Aufregung.
    Denn so viel war jedem klar: Die Schuldscheine waren purer Sprengstoff. Mit dieser Energie zeichneten die Chinesen ihre Feuerwerke an den Himmel. Und so wie die Kometen, Sterne und Sonnen nach kurzer Herrschaft rückstandslos verglühten, würden die Karrieren der Lübecker enden, die auf den Schuldscheinen ausgewiesen waren.
    Die Liste mit den Namen lag auf Theuerkauffs Tisch. Nur die engsten Mitarbeiter durften einen Blick darauf werfen und mussten versprechen, sich eher die Zunge herausschneiden zu lassen als diese Namen weiterzutratschen. Jedem leuchtete die Begründung ein: Auf der Liste drängte sich bester Lübecker Kaufmannsadel. Das Rathaus war vertreten, erschütternd viele Offiziere. Die halbe Ordnungsmacht der Stadt hatte sich dazu hinreißen lassen, Geld zu leihen. Und von wem?
    »Von Rosländer«, sagte Theuerkauff . »Es ist seine Handschrift, das haben mir inzwischen 30 Kenner bestätigt, das belegen alle Dokumente, die ich im Rathaus eingesehen habe.«
    Ratsherr Voigt eilte herein, für seine Verhältnisse war er doppelt so blass wie sonst. Voigt hatte einen Brandbrief von Theuerkauff vorgefunden wie jeder andere, der einen Schuldschein unterschrieben hatte. Erst wollte er drum herum reden, aber was sollte das? Er war in die Kanzlei geeilt wie jeder andere. Die Strolche hatten die Scheine nicht aus der Hand gegeben, sie hatten gut daran getan, weil sie sonst jetzt keine Schuldscheine mehr und dafür viele Knochenbrüche besessen hätten.
    Voigt wehrte sich nur kurz gegen das Unabänderliche – wie jeder andere vor ihm. Dann gestand er zerknirscht, einen Schuldschein bei Rosländer unterschrieben zu haben. Wegen einer momentanen finanziellen Unpässlichkeit, die längst überwunden sei. Zum Rückzahlen sei er noch nicht gekommen, er habe es schlicht verschlampt, und Rosländer habe auch nicht gedrängelt, und später sei er tot gewesen und da …
    »Ja?«, fragte Theuerkauff gereizt, »und was? Dachtet Ihr, damit sei die Sache erledigt? Habt Ihr wirklich diesen kindlichen Glauben aufgebracht? Mann Gottes, so was holt einen ein, früher oder später oder heute. Wärt Ihr nicht so geizig, wäre die Sache tatsächlich aus der Welt gewesen.«
    Voigt bestätigte wie alle anderen, die bisher die Kanzlei aufgesucht hatten, dass der Vorschlag mit den falschen Namen von Rosländer stammte. Deshalb habe niemand abgelehnt, denn besser ein Schuldschein ohne den Namen Rosländers als mit seinem Namen.
    18 Mal hatte Theuerkauff in den vergangenen Stunden die gleiche Geschichte gehört. Rosländer verlieh Geld, oft war der Anstoß dazu von ihm gekommen. Er habe gehört … unter Kollegen werde gemunkelt … er wickelte die Leute ein, und oft befanden sie sich tatsächlich in einer Klemme, die sie zu ihm getrieben hatte. So abstoßend sie ihn fanden, in diesem Fall bestand gerade darin sein größter Vorteil: Hätte man sich das Geld von einem Freund oder vom Juden geliehen, hätten Schwatzsucht und Leichtfertigkeit die Kunde über kurz oder lang verbreitet. Mit Rosländer wollte niemand etwas zu tun haben, zu ihm bestanden die wenigsten Verbindungen. Schließlich hatten alle vorgehabt, das Geld schnell zurückzuzahlen. Kaum einer hatte es getan, und wer es getan hatte, hatte Rosländer bald ein zweites und drittes Mal in Anspruch genommen. Es war so unkompliziert abgelaufen, ein wenig Gegröle, ein Prankenhieb auf die Schulter, zwei Gläser Branntwein, eine Unterschrift und fertig.
    »Manchmal habe ich gedacht: Wenn es nur immer so einfach wäre, sich Geld zu leihen«, murmelte Voigt.
    So viele zerknirschte Figuren waren an Theuerkauff vorbeimarschiert, es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Advokat in

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