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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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keineswegs nur das des Lübecker Bischofs. Man sah ihn gern an Fürstenhöfen, er genoss die Gastfreundschaft reicher Katholiken in der Diaspora und gebildeter Juden. Er konnte mit jedem und war auf eine Weise leutselig, die nie übertrieben wirkte.
    Ohne einen Mann wie Theuerkauff wäre es mit Lübecks Rang in der späten Phase der Hanse noch schneller bergab gegangen. Da das so war, tat man viel, um den Mann zu halten, nach dem andere Städte die Hände ausstreckten.
    Theuerkauff war einer der wenigen Lübecker, der zum dritten Mal verheiratet war. Alle Scheidungen hatte seine eigene Kanzlei abgewickelt, in der er ein Dutzend Advokaten und Rechtskundige beschäftigte. Theuerkauff leistete sich den Luxus, zwei emeritierte Professoren der Universitäten von Prag und Frankfurt zu bezahlen, die für ihn tätig wurden, wenn die Fälle mehr erforderten als Rabulistik und Bluff.
    Weil er klug war, achtete Theuerkauff darauf, nicht den Kontakt zu den einfachen Leuten zu verlieren. Nicht, dass er den Umgang mit ihnen im privaten Bereich suchte, Gott bewahre, aber er gönnte sich zwischendurch gern einen Fall, in dem ein Habenichts auf sein Recht pochte. Solche Fälle waren für Theuerkauff wie ein geistreiches Spiel. Dort lief er zu großer Form auf. In Verteidigung eines alkoholkranken Seemanns hatte er zwei Jahre die Gerichte bemüht, bevor der mittlerweile halb schwachsinnige Mann so viel Geld zugesprochen bekam, dass er es in seinem restlichen Leben nicht mehr würde vertrinken können. Vier Wochen später war er verheiratet gewesen, zehn Wochen später beerdigte man ihn. Seine Witwe heiratete kurz darauf einen Schreiber aus der Kanzlei von Theuerkauff .
    So sorgte er für den kleinsten und geringsten in seinem Bannkreis und genoss den Ruf, ein Wohltäter zu sein. Er hatte einen Schlachterladen betreten, vor dem ihn ein magerer Hund angebettelt hatte, und zwei Hände voll Gekröse gekauft, das er dem Tier hingeworfen hatte. Eine Tat von schockierender Sinnlosigkeit! Der Hund hatte das Futter noch nicht ausgeschissen, als jeder zweite Lübecker wusste: Theuerkauff spricht mit den Tieren! Dies entsprach nicht der Wahrheit, aber Theuerkauff legte sich bei der Verbreitung der Wahrheit Zurückhaltung auf, denn er wusste, was ihm schaden und was ihm nutzen konnte. Solange die Menschen viel von ihm hielten, liefen die Dinge in seinem Sinn. Würden sie anfangen, ihn einen Hexenmeister zu nennen, würde er einschreiten. Alles unterhalb dieser Ebene ließ er durchgehen. Nur dass der Köter einen Narren an ihm gefressen hatte und ihn seitdem Tag für Tag auf der Straße abpasste, hatte er nicht vorausgesehen. Theuerkauff hatte einen Jagdhund ausgeliehen, der den räudigen Köter aus der Stadt gejagt hatte. Bei diesem Jagdhund konnte er sicher sein, dass er sein Herrchen nicht für eine Handvoll Gekröse eintauschen würde.
    Theuerkauff zählte auch die meisten Ratsherren zu seinen Kunden. Weil das so war, kamen viele ihrer Freunde noch dazu. Der Ruf der Kanzlei war bis in die Ställe der Armen gedrungen. Sie hatten keinen Zugang zu Theuerkauff , aber nur, weil sie nichts besaßen, was in einem Prozess verhandelt werden konnte. Wäre ein Wunder passiert und sie über Nacht von Habenichtsen zu Bürgern geworden, hätten sie sich an Theuerkauff gewandt.
    In Lübeck wussten nicht nur die Reichen, wie man sich benimmt und was man besser unterlässt. Auch die Armen und Ausgeschlossenen befolgten die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze. Es kam kaum jemals vor, dass jemand ein Gebäude betrat, das für ihn und seine Klasse verschlossen war. An solche Gebäude klopfte man auch nicht, man blieb nicht einmal vor ihnen stehen und fiel den Bewohnern damit lästig, dass man in ihre Fenster glotzte.
    Das war der Grund, warum für die meisten dieser Häuser kein ausdrückliches Verbot bestand, sie zu betreten. Was undenkbar war, musste nicht eigens auf Tafeln geschrieben werden.
    Deshalb stellte sich den vier zerlumpten Gestalten niemand entgegen, als sie die Räume der Kanzlei betraten. Sie fragten den erstbesten Menschen, der ihnen über den Weg lief, wo sie wohl den Advocatus Theuerkauff finden würden. Ihr Wortführer gebrauchte das Wort »Advocatus«, als sei es sein täglich Brot. Der verdutzte Schreiber, jung und leicht zu beeindrucken, begleitete die Gestalten und wies auf die Tür. Theuerkauff gönnt sich wieder eine gute Tat, dachte er und trollte sich.
    Die Tür öffnete sich, Theuerkauff stand auf, als würde man ihn an einem

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