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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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knurrte Ratsherr Voigt und schob den leer gegessenen Teller von sich. Minutenlang ging es nun um Essen und den Magen. Dem einen bekam das nicht, der andere vertrug jenes nicht. Angewidert hörte Theuerkauff dem Jammern zu. Was war aus Lübeck geworden? Wie konnte es passieren, dass eine Runde, die vor 100 Jahren über Gold, Silber, Pelze und Wein geredet hätte, bei Furzen und brennender Speiseröhre gelandet war? Der Advokat dachte: Rosländer hat sich nie den Magen verdorben.
    Er riss das Heft des Handelns an sich, bevor der erste nach Kamillentee verlangen konnte.
    »Liebe Freunde, die Lage ist ernst. Die Schuldscheine sind unantastbar und von eiserner Gültigkeit. Dass Rosländer die Namen der Geldgeber veränderte, tut nichts zur Sache. Er hat keinen Groschen dazugedichtet. Das Geld ist geflossen, die Strolche haben ein Recht darauf, es zu erhalten. Ihr habt die Pflicht zu zahlen.«
    »Aber Rosländer ist tot!«, rief jammernd ein Kaufmann.
    »Damit erbt Anna Rosländer, zufällig hatte ich Gelegenheit, einen Blick in das Testament zu werfen. Mit seinem Tod gingen alle Forderungen, die er hatte, an die Erben über. Anna erbt alles, sie kriegt alles. Es sei denn, es geht um Schuldscheine, bei denen die Lage so klar ist wie kristallklares Quellwasser. Ihr habt die Wahl: Zahlt an die Strolche oder lasst Euch verklagen, dann kriegen es am Ende auch die Strolche. Oder Anna Rosländer.«
    »Und die dritte Möglichkeit?«
    »Es gibt keine dritte Möglichkeit.«
    »Ihr habt einmal gesagt, es gäbe immer eine dritte Möglichkeit.«
    »Die gibt es auch: Es handelt sich dabei um Euren gesellschaftlichen Tod. Wisst Ihr, wie laut es ist, wenn 20 . 000 Menschen zugleich über Euch lachen? Glaubt Ihr, Ihr werdet das ertragen?«
    »Die Menschen vergessen schnell«, kam es störrisch zurück.
    »Vieles ja. Einiges dauert länger. Und einiges wird nie vergessen. Erinnert Ihr Euch, wie Klaus Paulsen am Tag vor seiner Hochzeit versucht hat, durch die Trave zu schwimmen? Es war eine kleine Episode, aber jeder erinnert sich daran, wenn auch nicht an das Schwimmen als solches, sondern daran, wie Paulsen hinterher seine Kleider nicht mehr fand und nackt nach Hause schleichen wollte, was ihm aber nicht gelang, weil in dieser Nacht in allen Häusern, an denen er vorbei musste, bis spät in die Nacht Licht brannte. Und die Bewohner saßen vor dem Haus und sahen so aus, als würden sie auf jemand warten, und hinterher bestritten alle, dass die Freunde von Klaus Paulsen ihnen Bescheid gegeben hatten. Eine kleine Episode, aber niemand hat sie vergessen.«
    An jedem anderen Tag hätte sich ein Lächeln der Erinnerung über die Gesichter gelegt, in dieser Nacht war keinem nach lächeln.
    » Theuerkauff , was sollen wir tun?«
    Er ließ sich ein Papier reichen, auf dem seine Männer den Ernst der Lage aufgelistet hatten. Jede 2 sah aus wie eine 2, jede 9 trug den runden Bauch einer gut genährten 9.
    32 Schuldscheine, 32 Schuldner. Die gesamte Summe betrug über 20 . 000 Taler. Der Advokat hätte das nicht in dieser Deutlichkeit verlesen müssen. Aber ihm war danach. Sollten die Halunken sehen, was sie angestellt hatten. Theuerkauff war klar, dass die Unvernunft des Menschen die Lebensversicherung jedes Advokaten war. Aber er musste nicht ernsthaft befürchten, dass diese Unvernunft von einem Tag auf den anderen aus der Welt sein würde. Der Mensch war erschaffen, um Fehler zu begehen. Anderenfalls hätte er nicht das Paradies verlassen, in dem es keinen Bedarf an Advokaten gegeben hatte.
    »Die 32 Schuldscheine befinden sich in der Hand von 30 Mitbürgern, wenn ich das so sagen darf. Engelbert Kross und Svante Leckebusch besitzen jeweils zwei Scheine. »Spürt Ihr das Verlangen, die Namen der Schuldner zu hören?«
    »Warum nicht?«, sagte Ratsherr Voigt. »Es würde mich beruhigen. Allein kommt man sich zehnmal so dumm vor.«
    Theuerkauff hatte nur auf die Gelegenheit gewartet, das Hohelied der Vertraulichkeit singen zu können. Kaum einer der Anwesenden hörte es zum ersten Mal und stellte fest, dass Theuerkauff nicht müde wurde, seine Grundsätze zu betonen.
    »Es muss einen Weg geben, darum herumzukommen«, murmelte jemand in der Runde. »Es sind Landstreicher, sie stehlen und betrügen jeden Tag. Sie sind nur auf freiem Fuß, weil wir großzügig darauf verzichten, sie in den Turm zu werfen. Das muss nicht so bleiben. Ich zeige meinen Mann an. Wie war gleich noch mal sein Name? Er hat mir einen Mantel gestohlen.«
    »Wann denn?«,

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