Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
Vierhaus und Senftenberg waren am bekanntesten, Kaufmann der eine, Lehrer der andere, gute Namen, gutes Blut und viel Hass. Die anderen Namen regten keinen weiter auf. Sie waren nicht zum ersten Mal dabei, wenn es darum ging, die Sache zuzuspitzen und des Guten zu viel zu tun.
»Sind das alle?«, fragte Ebel streng. »Es darf kein Zweifel bleiben.«
Trine Deichmann blickte sich im Raum um, Polikoff hielt den Atem an. Er dachte: Sie kann es nicht wissen, es ist nicht möglich. Der Blick der Hebamme schweifte weiter, sie sagte: »Das sind alle Namen.«
»Gut«, sagte Ebel , »und nun reden wir deutlich weiter.«
»Reicht das noch nicht?«, fragte sie in einem für ihren bisherigen Auftritt erstaunlich unsicheren Ton.
Ebel sagte: »Der Schwede mag ein Halunke sein, man mag ihn gekauft haben, damit er diese Scharade aufführt. Aber er ist ein Fremder, er kennt unsere Leute nicht. Ihr könnt die Namen nicht von ihm erfahren haben. Wer hat geplaudert? Was habt Ihr getan, um alles zu erfahren?«
Schweigen.
Dann eine vorsichtige Frauenstimme: »Könntet Ihr Euch damit zufriedengeben , nur das Ergebnis zu wissen? Und nicht den Weg, der nötig war, um zum Ziel zu gelangen?«
Ebel schüttelte den Kopf: »Es ist die alte Geschichte mit dem faulen Apfel. Lübeck ist der Apfel, und nun erfahren wir von Euch, dass in dem Apfel Maden herumkriechen. Dieses Ungeziefer hat die Angewohnheit, einen Apfel nach dem anderen zu befallen.«
»Ich möchte mit Euch allein sprechen.«
»Einspruch!«, rief Polikoff . »Das habe ich mir gedacht. Die Dame sucht sich aus, mit wem sie redet. Das können wir nicht zulassen, ich bin sicher, dass ich für alle Kollegen spreche.«
Er wollte sich noch weiter aufregen, aber er wollte ihnen auch die Möglichkeit geben, sich auf seine Seite zu schlagen. Umso verwirrter war er, als er sah, was sich hier abspielte. Bevor das nächste Wort ausgesprochen worden war, wusste Polikoff , dass sie vor der Hebamme niederknien würden. Wie sie sich untereinander anblickten! Taten so, als würden sie weise abwägen, dabei war die Entscheidung längst gefallen.
32
Die Hebamme und der alte Arzt verließen den Raum. Sofort wollte Polikoff auf die anderen losgehen, aber ein Medicus kam ihm zuvor: »Haltet Euch zurück! Redet halb so viel, wie Ihr meint, reden zu müssen. Dann redet Ihr immer noch doppelt so viel, wie es nötig wäre.«
»Aber sie tanzt uns auf der Nase herum!«, protestierte Polikoff .
»Ist sie gekommen, um uns mitzuteilen, was sie weiß?«
»Ja, aber …«
»Hat sie uns etwas Wichtiges mitgeteilt oder nicht?«
»Ja schon, aber …«
»Ist Ebel einer von uns und von allen Kollegen der würdigste?«
»Möglich. Ich kenne den Mann ja nicht, aber …«
»Seht Ihr, Polikoff , das ist Euer Problem. Ihr wisst nicht viel. Aber anstatt in den ersten Monaten zuzuhören und zu lernen, reißt Ihr das Maul auf!«
»Aber das mache ich doch nur, weil ich …«
»Ihr habt eine Pause verdient! Eure Stimme hört sich vom vielen Schreien angegriffen an. Wie wär’s, wenn Ihr hinausgeht, um Euch auf dem Markt die Beine zu vertreten! Kauft einen Apfel, er wird Euch gut tun. Aber passt auf, es könnte sich eine Made darin befinden.«
Schockiert starrte Polikoff auf die Tür, die man ihm aufhielt. Sie waren so viele, und er war allein. Er schritt durch die Tür, die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Im Amtszimmer des Bürgermeisters kam die Hebamme zum Thema.
»Es hat mit den Frauen zu tun«, sagte sie zögernd. »Die Männer reden miteinander. Manchmal tun dies auch die Frauen. Oft reden sie über das, was die Welt der Frauen ausmacht: die Kinder, das Haus, das Personal, der Markt, und ob Ihr es glaubt oder nicht, sie reden auch über Männer und das, was die tun und lassen.«
»Das kriegen wir alles mit!«, rief vergnügt Goldinger . »Dann klingelt es immer in unseren Ohren!«
Ebel blickte ihn an, als würde er erwägen, ob ein gnädiger Tod nicht das Beste sei bei so viel Dusseligkeit.
»Man trifft sich, man plaudert, man redet über das, worüber alle reden, und manchmal trifft man eine Frau, die besorgt ist.«
»Man fasst es nicht«, entgegnete Ebel kopfschüttelnd. »Ihr habt das Zeug zur Ratsherrin.«
»Das habe ich nicht.«
»Und ob! So gewunden, so umkreisend, so pflaumenweich. Dass ich das noch erleben darf.«
»So reden doch alle«, behauptete der Bürgermeister.
Ebel sagte: »Oh nein, das tun sie nicht. Und das ist auch gut so. Auf dem Markt reden sie zur Sache. Laut,
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