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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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unter Männern war diesmal aus dem Ruder gelaufen. So hatte Anna gedacht, bis sie begonnen hatte, das Schiff zu bauen. Seitdem hatte sie viel Gegenwind empfangen, von dem Poulsen wohl gehört habe. Sie sei nachdenklich geworden und könne sich nicht erklären, woher die Ablehnung rühren mochte.
    Poulsen begann zu berichten. Er stand im Raum wie der Lehrer neben dem unsichtbaren Katheder. Er redete klar, zusammenhängend und frei. Er wusste auch, wo er seine Arme lassen sollte. Der Däne hatte den Ort untersucht, an dem der tote Reeder gefunden worden war. Am Ufer der Trave, umgeben von meterhohem, ineinandergeschobenem Eis. Die Wunden des Reeders stammten wahrscheinlich vom steinharten Eis, letzte Sicherheit gab es nicht.
    »Wir beide wissen, dass Euer Mann es liebte, die Dinge auf den Punkt zu treiben und den Geschäftspartner mit dem Rücken gegen die Wand. Ich kenne seinen Lebensweg und weiß, dass seit 50 Jahren niemand in Lübeck so schnell aus dem Nichts aufgestiegen ist. So etwas geht nicht mit sauberen Fingernägeln, aber Euer Mann liebte es deftig. Ohne Behumpsen und Rangeln machte es ihm kein Vergnügen. Deshalb habe ich nicht nur das Eis abgesucht, sondern auch die Seelen.«
    Anna rückte auf ihrem Sessel nach vorne.
    Lächelnd sagte Poulsen : »Ihr könnt nicht wollen, dass er gewaltsam zum Tode befördert wurde.«
    »Was ist falsch daran, die Wahrheit hören zu wollen?«
    »Ihr müsstet dann Lübeck verlassen. Es würde Euch zerreißen, in einer Stadt mit dem Mörder zu leben.«
    »Der Mörder wird bestraft werden.«
    »Seine Familie nicht, und die bleibt Euch erhalten.«
    Er sah, wie es in Anna arbeitete, und fügte hinzu: »Ich habe das grundsätzlich gemeint. Denn ich weiß nicht, wie Euer Mann zu Tode kam. Aber ich weiß, dass 50 Menschen ihm den Tod gewünscht haben, wahrscheinlich mehr. Die anderen haben sich nur besser beherrscht.«
    Es ging immer um Geschäfte. Hätte ein Konkurrent mit Rosländers Methoden den Sieg davongetragen, hätte man über ihn geflucht und wäre neidisch auf seinen Erfolg gewesen. Aber zehn Tage später hätte man wieder am selben Tisch gegessen und gestritten, wer die Rechnung übernimmt. Rosländer dagegen rief Hass hervor, »ein feindliches Gefühl, haltbar, als wäre es geräuchert worden.«
    Rosländer konnte keine Ruhe geben. Es war ihm nicht möglich, den Sieg im stillen Kämmerlein zu genießen. Er musste feiern, grölen und den Unterlegenen triezen. Es war zu unappetitlichen Vorfällen gekommen: der betrunkene Rosländer mit einer Bande von Nassauern nachts vor dem Haus eines Handwerkermeisters, dem er übel mitgespielt hatte. Sie hatten gesungen und gerufen, Steine waren geflogen, Diener verhauen und einmal ein Hund erschlagen worden.
    »Tiefer seid Ihr nicht in die Seelen eingedrungen?«, fragte Anna unzufrieden. »Das, was Ihr berichtet, ist doch kein Geheimnis.«
    »Schätzt den Hass nicht gering. Er kann zu einem Nahrungsmittel werden, das man immer wieder braucht, um sich wohlzufühlen . Jeder, der gehasst hat, kannte einen, der auch gehasst hat. Man hat sich erinnert und bestärkt. Euer Mann hat lange in Gefahr geschwebt, das Unglück hätte fünf Jahre früher geschehen können.«
    Diese Gedanken hatte auch Anna gedacht und wohlweislich für sich behalten. Rosländer hatte es übertrieben, und ihr war es nicht gelungen, ihn zu mäßigen. »Tu es mir zuliebe«, hatte sie hundertmal gesagt. Einige Male hatte er sich zusammengerissen – um zwei Tage später alles nachzuholen.
    Anna fragte: »Ein Verdacht?«
    Er schüttelte den Kopf. Aber er wusste, mit wem Rosländer in der letzten Nacht gezecht hatte. Angefangen hatte es in der Fluchbüchse, danach war man ins Haus eines Freundes gewechselt – ein Medicus , der nicht mehr in Lübeck wohnte. Dessen Frau war es zu laut geworden, sie hatte die Gesellschaft vor die Tür gesetzt. Rosländer und ein Kumpan hatten die schockierte Frau geschnappt, sie unter den Arm geklemmt wie einen Balken und in die Ratsapotheke geschleppt. Dort hatte man den Hausherrn aus dem Schlaf geholt und von ihm ein Mittel gefordert, um renitente Frauen zu bändigen. Rosländer hatte dem Apotheker eine Münze gezeigt. Sie wäre sein Eigentum, wenn ein Abführmittel in ihrem Bauch landen würde. Anna legte eine Hand vors Gesicht, auf solche Einfälle war nur ihr Mann gekommen.
    Der Apotheker hatte sich geweigert. Nach einer zweiten Münze fand er Rosländers Idee schon spaßiger, eine dritte Münze überzeugte ihn. Sie hatten der Frau

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