Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
getan, sie wiederzusehen , obwohl Katharina den Eindruck hatte, das Treffen sei nicht so zufällig, wie er behauptete. Dass es seiner Frau besser ging, erwähnte er nur, weil es die Höflichkeit erforderte. Dass er Katharina wiedersehen wollte, darüber verlor er viel mehr Worte. Er lud sie ein, nicht in sein Haus, sondern in ein Gasthaus. Nicht in Lübeck, sondern weiter entfernt an der Küste. Er wollte sie mit der Kutsche abholen, sie müsse darüber nicht mit anderen sprechen, man wisse nie, wie so etwas aufgefasst würde und außerdem …
»Ja, Katharina, das habe ich begriffen, wie es sich anhört, wenn ein verheirateter Mann mit einer unverheirateten Frau anbändelt und vermeiden will, dass jemand ihn dabei sieht und es seiner Frau hinterbringt. Was mich interessiert, ist etwas anderes: Mit welchen Worten hast du ihn abgewiesen? Warst du höflich dabei? Du hast ihn doch abgewiesen? Katharina, mach mich nicht unglücklich.«
Katharina gebrauchte die rücksichtsvollsten Worte und benutzte die weitschweifigsten Wendungen. Aber am Ende kam sie nicht darum herum, Trine zu gestehen, dass sie mit dem Medicus angebändelt hatte, dass seine Frau den beiden auf die Schliche gekommen war und ihren Mann gezwungen hatte, Lübeck zu verlassen. Dass er seiner Frau Treue geschworen hatte, um sie kurz darauf erneut mit Katharina zu hintergehen, gestand die junge Hebamme erst auf viermaliges Nachfragen.
»Woher habt Ihr das gewusst?«, fragte sie voller Unschuld. »Ich war sicher, gut geschwindelt zu haben.«
Trine Deichmann war von den Neuigkeiten so bedient, dass sie sich schon zum Gehen gewandt hatte, als Katharina noch sagte: »Als Ihr von dem Streich des Reeders anfingt, dachte ich, Ihr wollt mich zu den Schuldscheinen fragen. So kann man sich täuschen.«
Schon bevor sich Trine zu ihr umgedreht hatte, wusste Katharina, dass sie zu viel redete. Zu viel und zu schnell. Sie dachte: Das musst du dir noch abgewöhnen. Dann ging die Ausfragerei von Neuem los.
43
Trine Deichmann holte Luft und rief: »Es ist sehr laut hier! Wir müssen aber in Ruhe reden!«
Anna Rosländer rief: »Ihr müsst lauter reden! Es ist sehr laut hier.«
Katharina rief: »Es wäre leiser, wenn sie nicht alle singen würden.«
Sie wies auf die Männer, die am Rumpf arbeiteten, an dessen Gerippe die drei Frauen gerade vorübergingen.
Anna rief: »Sie sagen, sie müssen singen. Daran würde ich erkennen, dass sie guter Dinge sind. Sie sagen, wenn sie aufhören zu singen, ist Gefahr im Verzug.«
Trine winkte Querner zu, der einem unbekannten Ziel zustrebte. Er sah sie, beachtete sie aber nicht. Trine lief hinterher. Zuerst sah es so aus, als wolle er ihre Hand unwillig abstreifen. Doch er riss sich zusammen und fragte mit erzwungener Ruhe: »Was gibt’s denn?« Und gleich darauf dreimal so laut: »Was gibt es? Ich habe keine Zeit.«
»Ihr seid schlechter Stimmung.«
»Das sieht nur so aus. In Wirklichkeit bin ich stinksauer.«
Er lächelte sie an. Sie wusste, dass er sie mochte. Sie war gewillt, den Vorteil zu nutzen.
In seinem Bureau wurde der Lärm mit der sich schließenden Tür abgeschnitten. Trine war erleichtert, aber in den ersten Momenten redete sie zu laut: »Wie haltet Ihr das nur aus?«
»Wer sagt Euch, dass ich das aushalte? Ich habe noch keine Zimmerleute erlebt, die so viel Lärm veranstalten wie die aus Uelzen. Sie singen von morgens bis abends. Niederdeutsch! Wer spricht denn heute noch Niederdeutsch? Sie wollen mir nicht verraten, wovon sie singen.« Er wandte sich vom Fenster ab und murmelte: »Wären sie nicht so fleißig, würde ich sie auf einen Wagen werfen und in ihre Wildnis zurückschaffen.«
Angeblich musste man sie abends von der Werft vertreiben, weil sie von allein nicht die Arbeit einstellten.
»Freut Euch doch«, riet Trine. »Je mehr sie arbeiten, umso schneller sind sie fertig.«
Querner hielt ihr einen Vortrag über das gleichmäßige Arbeitstempo, das allein Qualität garantiere und bei dem man über viele Wochen durchhalte. »Eine Woche kann jeder ranhauen, danach ist er erschöpft und es schleichen sich Fehler ein. In diesem Stadium darf es jedoch keine Fehler geben. Alles, was später Wasser berührt, muss vom feinsten und edelsten sein. Du musst deinen Rhythmus finden und ihn beibehalten.«
Damit konnte Trine etwas anfangen. Bei der Geburt war es genauso. Das Atmen, das Pressen, die Unterstützung – alles hatte seinen Rhythmus. Wenn eine einzige Frau dabei war, die hektisch war oder
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