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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Fell ab.»
    «Ich stelle Sie jetzt durch, Herr Reles», sagte Ingrid, eine sehr hübsche Telefonistin, in diesem Moment.
    «Herr Reles? Er telefoniert gerade? Mit wem?», drängte ich.
    Ingrid wechselte einen fragenden Blick mit Hermine.
    «Kommt schon, Mädels - das hier ist wichtig. Falls er ein Ganove ist - und ich denke, er ist einer -, müssen wir mehr über ihn herausfinden.»
    Schließlich nickte Hermine billigend.
    «Potsdam 3058», sagte Ingrid.
    «Wer ist der Teilnehmer?» Ich wartete.
    Hermine nickte erneut.
    «Das ist die Nummer des Grafen von Helldorf», sagte Ingrid. «Im Polizeipräsidium Potsdam.»
    Überall außer im Adlon wäre es mir gelungen, sie zu überreden, das Gespräch zu belauschen, doch ohne Verhörlampe und Messingschlagringe würde ich nichts mehr herauskriegen. Die anderen Berliner Institutionen mochten ihre Ansprüche aufgegeben haben, die Polizei, die Gerichte, die Kirchen - doch nicht das beste Hotel der Stadt.
    Also kehrte ich zurück in mein Büro, rauchte ein paar Zigaretten, nahm ein paar Drinks und warf einen weiteren Blick auf die Korrespondenz, die ich aus Reles' chinesischem Kästchen genommen hatte. Ich hegte den Verdacht, dass sie für Reles viel wichtiger war als das Kästchen selbst. Doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Ein Anruf von Max Reles bei von Helldorf so unmittelbar nach meinem Besuch bei dem Amerikaner war beunruhigend. War es möglicherweise bei ihrem Gespräch um meine Person gegangen? Und falls ja, um was genau? Es gab viele Gründe, warum von Helldorf für einen Mann wie Reles nützlich sein konnte und umgekehrt.
    Der ehemalige Anführer der Berliner sa Wolf-Heinrich Graf von Helldorf war gerade drei Monate Polizeipräsident von Berlin, als ein großer Skandal seinen Aufstieg in höhere Ämter vorläufig beendet hatte. Er war immer ein begeisterter Spieler gewesen und außerdem angeblich ein Päderast, der mit Vorliebe junge Knaben geißelte. Und er war ein enger Freund von Erik Jan Hanussen, dem berühmten Berliner Hellseher, der angeblich einen Teil der beträchtlichen Spielschulden des Grafen beglichen hatte als Gegenleistung dafür, dass er Hanussen dem Führer vorstellte.
    Hitler sei sehr beeindruckt gewesen von dem Mann, hieß es, den die Berliner Kommunisten einen «Volksverdummer» nannten. Mit Hitlers Gunst war Hanussen bei den höheren Parteifunktionären noch einflussreicher geworden. Und doch war es nicht so, wie es nach außen hin schien. Hanussens Macht in der Partei verdankte er, wie sich herausstellte, nicht der guten Beratung durch von Helldorf, nicht einmal seiner faszinierenden Aura, sondern schlichtweg eiskalter Erpressung. Hanussen hatte eine Reihe führender Nazis «hypnotisiert» und bei ausgelassenen Sexorgien an Bord seiner Jacht Ursel iv gefilmt. Das an sich war schlimm genug - obendrein waren einige der Orgien homosexueller Natur.
    Gut möglich, dass Berlins berühmter Hellseher all das unbeschadet überstanden hätte. Doch als Der Angriff, die Zeitung von Joseph Goebbels, enthüllte, dass Hanussen Jude war, schlugen die Wogen hoch, was sogar den Führer in eine gewisse Verlegenheit brachte.
    Von einem Moment zum anderen war Hanussen zu einem peinlichen Ärgernis geworden, und von Helldorf, der die Verantwortung trug, wurde beauftragt, die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Wenige Tage nach seiner Entlassung als Berliner Polizeipräsident durch Herrmann Göring entführten von Helldorf und ein paar seiner mörderischen sa-Freunde Hanussen aus seiner luxuriösen Wohnung im Berliner Westend, brachten ihn auf seine Jacht und folterten ihn dort so lange, bis Hanussen alles kompromittierende Material herausrückte, das er im Verlauf mehrerer Monate gesammelt hatte: Schuldscheine, Briefe, Fotografien, Filmmaterial. Anschließend erschossen sie ihn und warfen seinen Leichnam in ein Waldstück im Süden von Berlin, wo er später halb verwest und angefressen gefunden wurde.
    Es blieben Gerüchte, dass von Helldorf einen Teil von Hanussens Material benutzte, um sich eine neue Stelle als Polizeipräsident von Potsdam zu sichern, in einer unbedeutenden kleinen Stadt, wo sich Hase und Fuchs gute Nacht sagen. Von nun an verbrachte von Helldorf seine Zeit mit der Zucht von Pferden und der Organisation der anhaltenden Verfolgung jener Sozialdemokraten und Kommunisten, die den Nazis in den letzten Tagen der Republik am meisten zugesetzt hatten. Es wurde allgemein angenommen, dass von Helldorf von der Hoffnung beseelt war, so Hitlers Gunst

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