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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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er mit all dem?

    Weil ich nur deshalb in diese Zelle hier saß, weil Max Reles die Potsdamer Polizei angerufen hatte, musste ich davon ausgehen, dass der Amerikaner irgendwie mit dem Tod beider Männer zu schaffen hatte und dass es dabei um Angebote und Kontrakte bezüglich der Olympiabaustelle ging. Reles hatte irgendwie von meinem Interesse an Deutsch erfahren und - fälschlicherweise - angenommen, dass meine Nachfragen mit dem wiederbeschafften chinesischen Klavierlackkästchen zu tun hatten - oder, genauer gesagt, mit dem Inhalt dieses chinesischen Kästchens. Von Helldorf war für seine Korruptheit berüchtigt, und angesichts dessen schien es mir, als wäre ich mitten hineingestolpert in eine Verschwörung, in die die unterschiedlichsten Personen verwickelt waren, Mitglieder des deutschen Olympischen Organisationskomitees sowie das Reichsinnenministerium. Wie sonst ließ sich erklären, dass Artefakte aus dem Ethnologischen Museum Berlin an Max Reles übergeben wurden, die dieser wiederum an Avery Brundage vom amerikanischen Olympischen Komitee schickte als Gegenleistung für dessen fortgesetzte Opposition gegen einen amerikanischen Boykott der Berliner Spiele?
    Falls all das zutraf, dann steckte ich in großen Schwierigkeiten. Und nach dem vierten oder vielleicht sogar schon fünften Tag meiner Gefangenschaft fing ich an zu bedauern, dass ich nicht das Risiko eingegangen war und von Helldorfs Wort vertraut hatte. Ich hätte diesen verdammten Vordruck unterschreiben sollen.
    Von meinem Zellenfenster aus konnte ich die Havel sehen und hören. Direkt an der Mauer meines Gefängnisses stand eine Reihe von Bäumen, und dahinter zog sich die S-Bahn-Linie nach Berlin am Flussufer entlang, bevor sie über eine Brücke und nach Teltow führte.
    Manchmal grüßten sich eine Bahn und ein Dampfschiff hupend wie freundliche Gestalten in einem Kindermärchen. Einmal vernahm ich eine Militärkapelle irgendwo im Westen, hinter dem Potsdamer Lustgarten. Es regnete viel. Potsdam ist nicht ohne Grund so grün.
    Am sechsten Tag endlich schloss meine Zellentür nicht sofort wieder, nachdem ich nach vorn geschlurft war, um mir eine Mahlzeit geben zu lassen.
    Der Bursche im Ledermantel stand breit grinsend da und zeigte nach draußen auf den Gang. «Sie können gehen», sagte er.
    «Was ist mit dem Vordruck?»
    Er zuckte die Schultern.
    «Einfach so?», fragte ich.
    «So lauten meine Befehle.»
    Ich rieb mir nachdenklich das Gesicht. Ich war nicht sicher, warum es so sehr juckte - weil ich so dringend eine Rasur brauchte oder weil ich misstrauisch war gegenüber dieser Ansage. Ich hatte Geschichten von Leuten gehört, die bei dem Versuch zu fliehen erschossen worden waren. Sollte das mein Schicksal sein? Eine Kugel in den Rücken oder in den Hinterkopf auf dem Weg durch den Korridor nach draußen?
    Der Mann im Ledermantel schien meine Unsicherheit zu spüren. Er grinste noch breiter - als hätte er den Grund für mein Zögern erraten -, doch er sagte kein Wort, um mich zu beruhigen. Er schien sich im Gegenteil an meinem Unbehagen zu erfreuen, als hätte er mich dabei beobachtet, wie ich eine extrem scharfe Chilischote gegessen hatte, und als wartete er nun darauf, dass ich einen Schluckauf bekam. Er steckte sich eine Zigarette an und starrte für einen Moment auf seine Fingernägel.
    «Was ist mit meinen Sachen?», fragte ich.
    «Sind unten.»
    «Das ist es, worüber ich mir Sorgen mache.» Ich nahm meine Jacke und zog sie an.
    «Ah, jetzt haben Sie aber meine Gefühle verletzt», sagte er.
    «Die wachsen sicher nach, sobald Sie wieder unter Ihren Stein gekrochen sind.»
    Er nickte den Gang hinunter. «Machen Sie, dass Sie hier rauskommen, Gunther. Bevor wir es uns anders überlegen.»
    Ich ging vor ihm her - es war gut, dass ich an diesem Morgen noch nichts gegessen hatte. Mir war speiübel vor Angst, und das Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Kopfhaut juckte, als hätte ich eine der Schaben aus dem Potsdamer Präsidium in den Haaren. Jeden Augenblick rechnete ich damit, den Lauf einer Luger im Nacken zu spüren und den Knall eines Schusses zu hören, der abrupt endete, sobald das Hohlspitzgeschoss mein Gehirn durchbrach. Für einen kurzen Moment sah ich wieder eine Szene von 1914 vor mir, als ein deutscher Offizier einen belgischen Zivilisten erschoss, der im Verdacht stand, einen Angriff auf deutsche Truppen geführt zu haben. Das Projektil hatte seinen Schädel platzen lassen wie einen zu fest aufgepumpten Fußball.
    Meine

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