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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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noch drei andere Kerle in diesem absurd riesigen Büro, die seine Skrupel nicht teilten.
    «Um es ganz unverblümt zu sagen, Herr Gunther, man ist aufgebracht, weil Sie und Ihre jüdische Freundin, Mrs. Charalambides, neugierige Fragen über diesen toten jüdischen Arbeiter und den unglückseligen Dr. Rubusch gestellt haben. Sehr aufgebracht sogar. Man hat mir berichtet, Sie hätten sogar den Führer einer Arbeitskolonne angegriffen, der Arbeitskräfte für den S-Bahn-Tunnel liefert. Ist das richtig?»
    «Das ist vollkommen richtig», antwortete ich. «Das habe ich. Allerdings sollte ich zu meiner Verteidigung hinzufügen, dass er mich zuerst angegriffen hat. Der Striemen in meinem Gesicht stammt von ihm.»
    «Er sagt, das wäre nur passiert, weil Sie versucht hätten, seine Arbeiter gegen ihn aufzuwiegeln.»
    «Ich bin nicht sicher, ob das richtige Wort ist, Herr General.»
    «Wie würden Sie es dann beschreiben?»
    «Ich wollte erfahren, wie Isaac Deutsch - der jüdische Arbeiter, den Sie erwähnt haben - zu Tode gekommen ist und ob es so war, wie ich vermutet hatte - dass er auf der Baustelle des Olympiastadions starb, wo er illegal beschäftigt war.»
    «Damit Mrs. Charalambides darüber schreiben kann, wenn sie wieder zurück in den Vereinigten Staaten ist. Ist das korrekt?»
    «Jawohl, Herr General.»
    Von Helldorf runzelte die Stirn. «Sie verwirren mich, Herr Gunther. Wollen Sie denn nicht, dass Ihr Vaterland sich von der besten Seite zeigt? Sind Sie ein Patriot oder sind Sie keiner?»
    «Ich denke, ich bin genauso patriotisch wie jeder andere auch, Herr General. Allerdings habe ich das Gefühl, dass unsere Politik, was die Juden angeht, bestenfalls ... inkonsistent ist.»
    «Und dies wollen Sie aufdecken? Mit welchem Ziel? Sollen all die jüdischen Arbeiter ihre Beschäftigung verlieren? Das wird nämlich der Fall sein - falls Mrs. Charalambides in ihrer amerikanischen Zeitung darüber schreibt, das kann ich Ihnen garantieren.»
    «Nein, Herr General, das ist es nicht. Es geht darum, dass ich überhaupt nicht einverstanden bin mit unserer Politik gegenüber den Juden.»
    «Das ist in diesem Fall ohne jede Bedeutung. Die meisten Menschen in Deutschland sind nämlich damit einverstanden. Abgesehen davon, jede Politik muss sich immer auch an dem orientieren, was praktisch durchführbar ist. Und es ist nun einmal eine Tatsache, dass das Projekt nicht rechtzeitig fertiggestellt werden kann, ohne dass eine gewisse Anzahl von Juden beim Bau hilft.»
    Er sagte es so nüchtern und sachlich, dass ich kaum anderer Meinung sein konnte. Ich zuckte die Schultern. «Vermutlich haben Sie recht, Herr General.»
    «Sie vermuten richtig, Herr Gunther», sagte er. «Sie können nicht einfach herumlaufen und ein Problem daraus machen. Es ist nicht realistisch, Herr Gunther, und ich kann es einfach nicht zulassen. Und an diesem Punkt kommt wieder unser Vordruck ins Spiel, fürchte ich. Quasi als eine Art Garantie, dass Sie aufhören mit dieser äußerst störenden Angewohnheit, Ihre Nase in Dinge zu stecken, die Sie nichts angehen.»
    Es klang alles so vernünftig, dass ich tatsächlich versucht war, das Formular zu unterzeichnen, nur um möglichst rasch nach Hause zu kommen und schlafen zu gehen. So viel musste ich von Helldorf wirklich lassen - er ging raffiniert vor. Zweifellos hatte er mehr von Erik Jan Hanussen, dem Hellseher, gelernt als seine persönliche Glückszahl und Glücksfarbe. Vielleicht hatte er auch gelernt, wie man Leute dazu brachte, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollten. Wie zum Beispiel ein Dokument zu unterschreiben, in dem man sich damit einverstanden erklärte, sich in ein Konzentrationslager schicken zu lassen, falls man unartig wäre. Vielleicht war es gerade das, was von Helldorf zu einem typischen Nazi machte. Viele dieser Leute - Goebbels beispielsweise, Göring und ganz besonders Hitler - scheinen ein Faible dafür zu haben, die Deutschen zu Dingen zu überreden, die gegen ihren gesunden Menschenverstand gingen.
    Ich überlegte, dass es vielleicht eine Weile dauern konnte, bis ich wieder zum Rauchen kam, deswegen nahm ich ein paar hastige Züge und drückte meine Zigarette anschließend in einem Rauchglasaschenbecher aus, der die gleiche Farbe hatte wie von Helldorfs verlogene Augen. Die Zeit reichte aus, um mich daran zu erinnern, wie ich die Gerichtsverhandlung wegen des Reichstagsbrands besucht und wie viele verlogene Nazis ich vor Gericht gesehen hatte und wie jeder von

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