Die Adlon - Verschwoerung
eisige Verheerung die ich gegenwärtig empfinde.
Es scheint, als wäre es ein Leichtes für mich, das Schicksal zu verfluchen, das mich dazu gebracht hat, dich zu lieben, und doch weiß ich trotz allem, dass ich es nicht eine Sekunde lang bereuen werde, weil ich in Zukunft immer, wenn ich von irgendeiner abscheulichen Tat oder einer kriminellen Politik dieses furchtbaren Mannes in seiner albernen Uniform lese, an dich denken werde, Bernie, und mich daran erinnern, dass es viele gute Deutsche gibt, die mutig und tapfer sind (auch wenn niemand niemals so tapfer und mutig ist wie du). Wenn Hitler uns etwas lehrt, dann, wie unendlich dumm es ist, ein ganzes Volk zu verurteilen wie einen einzelnen Mann. Es gibt genauso schlechte Juden und gute Juden, wie es schlechte Deutsche und gute Deutsche gibt.
Du bist ein guter Deutscher, Bernie. Du schützt dich selbst unter einem dicken Panzer aus Zynismus, doch ich weiß, im Herzen bist du ein guter Mensch. Ich fürchte um all die guten Menschen in Deutschland, und ich frage mich, welche furchtbaren Entscheidungen vor ihnen und vor dir liegen. Ich frage mich, welche scheußlichen Kompromisse ihr einzugehen gezwungen werdet.
Was der Grund ist, warum ich dir helfen möchte, anderen zu helfen - auf die einzige Weise, die mir jetzt noch möglich ist.
Inzwischen wirst du den beigefügten Scheck gefunden haben, und dein erster Gedanke, nachdem du gesehen hast, dass die Summe sehr viel höher ist als der Betrag den du geliehen haben wolltest, wird sein, ihn nicht einzulösen. Das wäre ein Fehler, Bernie. Du solltest ihn als mein Abschiedsgeschenk betrachten und als Starthilfe für deine eigene Detektei, von der du mir erzählt hast. Und es gibt einen guten Grund: In einer Gesellschaft, die auf Lügen basiert, wird die Aufdeckung der Wahrheit immer und immer wichtiger werden. Gut möglich, dass dich Arger erwartet, doch wie ich dich kenne, wirst du einen Weg finden. Ich hoffe sehr, dass du anderen helfen kannst, wie du mir geholfen hast, und dass du nicht vor der Gefahr zurückschreckst, weil das, was du tust, das Richtige ist.
Ich bin nicht sicher, ob ich mich richtig ausgedrückt habe. Ich spreche zwar einigermaßen gut Deutsch, doch ich stelle fest, dass mir die Übung des Schreibens fehlt. Ich hoffe, dieser Brief erscheint dir nicht zu formell. Kaiser Karl v. hat einmal gesagt, er spräche Spanisch zu seinem Gott, Italienisch zu den Frauen, Französisch zu Männern und Deutsch zu seinem Pferd. Weißt du, ich glaube, dieses Pferd war die Kreatur, die er am meisten geliebt hat auf der Welt, und genau wie du war sein Pferd sehr stolz und voller Temperament - ich kann mir keine andere Sprache denken, die deinem Temperament angemessen wäre, Bernie Gunther. Ganz gewiss nicht Englisch mit den vielen unterschwelligen Bedeutungen. Ich habe nie einen aufrechteren Menschen kennengelernt als dich, was einer der Gründe ist, warum ich dich so sehr liehe.
Wir leben in hässlichen Zeiten, Bernie, und du wirst an hässliche Orte gehen müssen und mit hässlichen Leuten zu tun haben, doch du bist mein Ritter, den der Himmel gesandt hat. Mein Galahad. Ich bin sicher, du wirst all diese Prüfungen überstehen, ohne selbst zu einem hässlichen Menschen zu werden. Du musst dir immer sagen, dass du nicht nur Laub an einem windigen Tag fegst, auch wenn es Zeitengeben wird, an denen du genau das glauben möchtest.
Ich küsse dich. Noreen.
Würzburg war keine hässliche Stadt, auch wenn die Franken sich die größte Mühe gegeben hatten, sie praktisch zu einem Schrein des Nazismus zu machen, was der eigentlich hübschen, schöngelegenen mittelalterlichen Ortschaft mit roten Dächern in einem weiten Flusstal nicht gutgetan hatte. In nahezu jedem Schaufenster hing eine Fotografie von Hitler oder ein Schild, das Juden empfahl, draußen zu bleiben oder die Konsequenzen zu tragen - manchmal beides. Berlin sah im Vergleich dazu aus wie ein Paradebeispiel echter repräsentativer Demokratie.
Auf dem linken Flussufer dominierte die alte Festung Marienberg die Landschaft, erbaut von den Fürstbischöfen von Würzburg, welche die Gegenreformation vorangetrieben und die Protestanten aus der Stadt verbannt hatten während einer weiteren der vielen hässlichen Epochen der deutschen Geschichte. Es fiel nicht weiter schwer, sich das Schloss als von einem bösen Wissenschaftler bewohnt vorzustellen, der einen mächtigen und teuflischen Einfluss auf die zu seinen Füßen liegende Stadt ausübte und aus den
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