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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Vielleicht bin ich ja aus Zucker. Aber ich würde lieber über Ihren Mann mit Ihnen reden. Ich habe im Zug die Fallakte gelesen und mich daran erinnert, dass er eine Herzkrankheit hatte.»
    «Ein vergrößertes Herz, ja.»
    «Man fragt sich, wieso er nicht daran starb, sondern an einem zerebralen Aneurysma. Hat er häufiger unter Kopfschmerzen gelitten?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein. Aber sein Tod kam nicht wirklich überraschend. Er hat zu viel gegessen und zu viel getrunken. Er liebte Würstchen und Bier, Sahne, Zigarren, Schokolade. Er war ein sehr deutscher Deutscher.» Sie seufzte. «Er genoss das Leben auf jede erdenkbare Art. Und das meine ich wörtlich.»
    «Außer dem Essen und Trinken und den Zigarren, meinen Sie?»
    «Ganz genau das meine ich. Ich war nie mit ihm in Berlin. Aber wie ich höre, soll es sich sehr verändert haben, seit die Nazis an der Regierung sind. Es heißt, Berlin ist nicht mehr der Sündenpfuhl wie in den Jahren der Weimarer Republik.»
    «Das ist richtig. Es ist nicht mehr so wie früher.»
    «Trotzdem ist es wahrscheinlich nicht schwer, eine Frau zu finden, wenn man eine sucht. Ich denke, auch die Nazis sind nicht allmächtig, wenn es darum geht, gewisse Dinge zu ändern. Man spricht nicht umsonst vom ältesten Gewerbe der Welt.»
    Ich musste grinsen.
    «Habe ich etwas Lustiges gesagt?»
    «Nein, ganz und gar nicht, Frau Rubusch. Es ist nur so, nachdem ich Ihren Mann tot in seinem Bett gefunden hatte, kostete es mich eine Menge Mühe und Überredungskunst, die Polizei dazu zu bewegen, Ihnen einige Einzelheiten über den Tod Ihres Mannes zu ersparen. Beispielsweise die Tatsache auszulassen, dass er mit einer anderen Frau im Bett gelegen hat. Ich hatte die wunderliche Idee, es könnte Sie aus der Fassung bringen.»
    «Das war sehr rücksichtsvoll von Ihnen. Vielleicht haben Sie recht. Sie sind tatsächlich aus Zucker, wie mir scheint.»
    Sie nippte an ihrem Klaren und stellte das Glas auf einen niedrigen Tisch aus Flammenbirke. Das X-förmige Gestell erinnerte an eine römische Antiquität. Frau Rubusch selbst hatte etwas Römisches an sich. Vielleicht lag es an der Art, wie sie saß, halb zurückgelehnt auf ihrem Sofa, doch es fiel nicht schwer, sie sich als die einflussreiche, stahlharte Frau eines fetten Senators vorzustellen, der - vielleicht - seine Nützlichkeit überlebt hatte.
    «Verraten Sie mir, Herr Gunther, ist es normal für ehemalige Polizeibeamte, im Besitz von Fallakten zu sein?»
    «Nein. Ich habe einem Freund in der Mordinspektion ausgeholfen. Und um die Wahrheit zu sagen - ich vermisse meine Arbeit. Der Tod Ihres Mannes hat mein Interesse geweckt.»
    «Ja. Ich kann mir denken, wie so etwas passiert. Sie haben gesagt, Sie hätten im Zug die Fallakte meines verstorbenen Mannes studiert. Ist sie dort in dieser Tasche?»
    «Ja.»
    «Ich würde gerne einen Blick darauf werfen.»
    «Bitte verzeihen Sie, Frau Rubusch, aber ich glaube, das wäre keine gute Idee. Die Akte enthält Fotografien Ihres toten Mannes, wie er in seinem Hotelzimmer aufgefunden wurde.»
    «Das ist es, worauf ich gehofft hatte. Diese Bilder würde ich gerne sehen. Oh, machen Sie sich keine Gedanken wegen mir. Haben Sie wirklich geglaubt, ich hätte mir seinen Leichnam nicht noch einmal angesehen, bevor wir ihn begraben haben?»
    Ich sah ein, dass es keinen Sinn hatte, mit ihr zu streiten. Abgesehen davon gab es, was mich betraf, andere, wichtigere Dinge, über die ich mit ihr reden wollte, als das glückselige Grinsen auf dem Gesicht ihres toten Ehemanns. Also öffnete ich meine Aktentasche, nahm die Unterlagen heraus und legte sie vor ihr auf den Tisch.
    Sobald sie das erste Foto sah, fing sie an zu weinen, und für einen Moment verfluchte ich mich, weil ich Frau Rubusch beim Wort genommen hatte. Doch dann seufzte sie, fächelte sich mit dem Handrücken Frischluft zu und schluckte. «So haben Sie ihn gefunden?», fragte sie. «Genau so?»
    «Ja. Ganz genau so.»
    «Dann fürchte ich, Sie haben recht mit Ihrem Verdacht, Herr Gunther. Verstehen Sie, auf diesem Bild trägt mein Mann seine Pyjamajacke im Bett. Das hat er nie getan. Ich habe ihm immer zwei Schlafanzüge eingepackt, aber er hat nur die Hosen getragen. Jemand anderes muss ihm die Schlafanzugjacke angezogen haben. Wissen Sie, Heinrich hat nachts stark geschwitzt. Dicke Männer schwitzen häufig stark. Deswegen hat er die Schlafanzugjacke nie getragen. Als die Polizei seine Sachen brachte, war nur eine Schlafanzugjacke dabei. Zwei

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