Die Adlon - Verschwoerung
eine große Zigarre anzustecken. Einer der Sonnenschirme, die alle zusammengeklappt waren, kippte um, was ihn wütend machte.
«Ich sage immer, die beste Aussicht auf Havanna hat man vom Dach eines guten Hotels.» Er stellte seine Bemühungen mit der Zigarre ein. «Das Nacional hat eine schöne Aussicht, aber nur auf das beschissene Meer oder die Dächer von Vedado, und meiner bescheidenen Meinung nach ist diese Aussicht nicht annähernd mit der vom Saratoga zu vergleichen.»
«Ich stimme Ihnen zu.» Für den Augenblick ließ ich meine Sticheleien sein. Ich hatte so ein vages Gefühl, dass es besser war.
«Natürlich wird es hin und wieder windig hier oben, und wenn ich diesen Mistkerl erwische, der mich überredet hat, all die verdammten Sonnenschirme zu kaufen, werde ich ihm eine Flugstunde erteilen und ihn lehren, wie es ist, wenn der Wind so ein Ding erfasst und über die Brüstung trägt.» Er grinste auf eine Weise, die mich befürchten ließ, er könnte seine Worte ernst meinen.
«Die Aussicht ist großartig», bemerkte ich.
«Ja, nicht wahr? Wissen Sie, ich wette, Hedda Adlon hätte alles für eine solche Aussicht gegeben.»
Ich nickte. Ich wollte ihm nicht erzählen, dass das Dach des Adlon den Gästen eine der besten Aussichten auf ganz Berlin geboten hatte. Ich hatte von dort oben aus den Reichstag brennen sehen. Eine viel bessere Aussicht kann man nicht haben.
«Was ist übrigens aus ihr geworden?»
«Hedda pflegte zu sagen, dass ein guter Hotelier stets auf das Beste hofft und mit dem Schlimmsten rechnet. Und so ist es auch gekommen. Sie und ihr Mann haben das Hotel den ganzen Krieg hindurch betrieben. Irgendwie hat es sämtliche Bombardierungen überstanden. Vielleicht hat irgendwann jemand von der Roten Armee dort gewohnt. Aber dann, während des Kampfs um Berlin, hat der Iwan die Stadt mit einem Sperrfeuer überzogen und alles in Schutt und Asche gelegt, was die Rote Armee noch stehen gelassen hatte. Das Hotel geriet in Brand und wurde völlig zerstört. Hedda und Louis flüchteten auf ihren Landsitz in der Nähe von Potsdam und warteten ab. Der Iwan plünderte das Haus. Louis wurde für einen flüchtigen deutschen General gehalten und standrechtlich erschossen. Hedda wurde viele Male vergewaltigt, wie die meisten Frauen von Berlin. Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist.»
«Gütiger Himmel», sagte Reles. «Was für eine Geschichte. Ich mochte die beiden sehr. Mein Gott, ich hatte ja keine Ahnung.»
Er seufzte und unternahm einen weiteren Versuch, seine Zigarre anzustecken. Diesmal erfolgreich. «Wissen Sie, es ist wirklich seltsam, dass Sie hier aufgetaucht sind, Gunther.»
«Ich heiße nicht mehr so, Max. Mein Name ist Hausner. Carlos Hausner.»
«Keine Angst. Wir beide müssen uns keine Gedanken machen deswegen. Auf dieser Insel gibt es mehr Aliase als in einem Aktenschrank des fbi. Wenn Sie je Probleme haben mit dem Militär wegen Ihres Passes, Ihres Visums, irgendetwas in der Art, kommen Sie zu mir. Ich regle das für Sie.»
«In Ordnung, danke sehr.»
«Wie ich bereits sagte, es ist wirklich seltsam, dass Sie einfach so hier aufgetaucht sind. Das Adlon war einer der Gründe, warum ich hier in Havanna ins Hotelgeschäft eingestiegen bin. Ich habe das Adlon geliebt. Ich wollte selbst so einen vornehmen Laden besitzen, hier im alten Havanna anstatt in Vedado wie Meyer Lansky und all die anderen von der Gang. Ich hatte immer das Gefühl, dass Hedda so ein Hotel wie das Saratoga ausgesucht hätte, meinen Sie nicht?»
«Vielleicht. Warum nicht? Ich war nur der Hausschnüffler, woher soll ich das wissen? Sie hat immer gesagt, ein gutes Hotel ist wie ein Wagen. Wie er aussieht, ist nur halb so wichtig, als wie er sich fährt. Wie schnell er ist und wie gut seine Bremsen sind und wie komfortabel er ist, das sind die Dinge, auf die es wirklich ankommt. Alles andere ist überflüssig.»
«Womit sie vollkommen recht hatte. Mein Gott, ich könnte ihre Erfahrung gut gebrauchen. Ich will die gleiche gehobene Klientel ansprechen, verstehen Sie? Die Senatoren und Diplomaten. Ich versuche ein Klassehotel zu führen und ein ehrliches Kasino. Es ist überhaupt nicht nötig zu tricksen, nicht in Havanna. Die Chancen stehen immer zugunsten des Hauses, und das Geld kommt wie von alleine herein, ganz einfach. Beinahe. Zugegeben, in einer Stadt wie Havanna muss man sich vor den Haien in Acht nehmen und den Abzockern. Ganz zu schweigen von den Schwulen und den Transvestiten. Verdammt, ich gestatte
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