Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
unbekannt, dass die Beamten eine Motivationshilfe in Form von Bargeld brauchen, um sich auf die Bildfläche zu bequemen.»
    «Bargeld lacht.»
    «Und es redet. Jedenfalls in dieser Stadt.»
    Ich blickte auf das Backgammonbrett, und wenn es nur aus dem Grund geschah, dass ich sein hässliches Gesicht nicht ansehen und seinen stinkenden Atem nicht riechen musste. Selbst auf eine Entfernung von einem Meter hin war er deutlich wahrzunehmen. Zu meiner Überraschung war vor mir ein Backgammon aufgebaut, das in seiner Obszönität bemerkenswert war. Die Spitzen der Spielfelder, schwarz oder weiß und auf jedem normalen Brett schnörkellos, hatten hier die Form erigierter Penisse. Zwischen diesen beiden Reihen von Penissen - oder darüber drapiert wie das Modell eines Künstlers - lag die nackte Gestalt eines Mädchens. Die Spielsteine hatten die Form nackter Frauenhintern in Schwarz und Weiß, während die beiden Becher, mit denen jeder Spieler würfelte, wie Brüste geformt waren und so groß, dass sie den Neid jeder Oktoberfestkellnerin hervorgerufen hätten. Lediglich die vier Würfel und der Doppler waren halbwegs schicklich.
    «Gefällt Ihnen das Spiel?», fragte er und gluckste wie ein stinkendes Schlammbad.
    «Meins gefällt mir besser», erwiderte ich. «Aber die Schlösser sind verriegelt, und ich habe die Kombination vergessen. Wenn es Sie amüsiert, mit diesem Spiel zu spielen, meinetwegen. Ich bin recht offen, was derartige Dinge angeht.»
    «Muss man auch, wenn man in Havanna lebt, richtig? Spielen wir auf Farben oder nur den Doppler?»
    «Ich bin träge. All diese Rechnerei. Lassen Sie uns beim Doppler bleiben. Sagen wir: zehn Pesos das Spiel?»
    Ich steckte mir eine Zigarre an und machte es mir auf meinem Stuhl bequem. Während das Spiel seinen Lauf nahm, vergaß ich das pornographische Design des Bretts und den schlechten Atem meines Gegenübers. Wir waren mehr oder weniger gleich stark, bis Garcia zwei Paschs hintereinander warf, den Doppler von vier auf acht drehte und vor mich hin schob. Ich zögerte. Seine beiden Paschs ließen mich vorsichtig werden. Ich war nie ein Spieler gewesen, der imstande war, sämtliche Steine auf dem Brett zu betrachten und meine Spielzüge und die meines Gegners hervorzusehen. Ich zog es vor, mein Spiel nach Gefühl zu machen und darauf zu achten, wie die Würfel rollten. Und weil ich zu dem Schluss kam, dass ich bald ebenfalls einen Pasch werfen musste zum Ausgleich seiner beiden, nahm ich den Doppler an und warf sogleich einen Fünfer-Pasch, was in diesem speziellen Moment genau das war, was ich benötigte, um mit ihm gleichzuziehen.
    Wir hatten beide die letzten Steine in unseren Heimfeldern - er zwölf in seinem, ich zehn in meinem -, als er mir erneut den Doppler hinschob. Der rechnerische Vorteil war auf meiner Seite, solange er keinen vierten Pasch warf, und da dies unwahrscheinlich schien, nahm ich den Doppler an. Jede andere Entscheidung hätte einen Mangel an cojones verraten, wie die Kubaner es nannten, und sicherlich desaströse Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Abends gezeitigt. Jetzt standen einhundertsechzig Pesos auf dem Spiel.
    Er warf einen Vierer-Pasch, wodurch er mit mir gleichzog und das Spiel wohl gewinnen würde, es sei denn, ich warf selbst einen weiteren Pasch. Er zuckte mit keiner Wimper, als ich eine Eins und eine Zwei würfelte, als ich sie am wenigsten gebrauchen konnte, und damit nur einen einzigen Stein nach draußen brachte. Er würfelte eine Sechs und eine Fünf und beförderte zwei Steine aus dem Spiel. Ich würfelte eine Fünf und eine Drei und schmiss meinerseits zwei raus. Dann würfelte er schon wieder einen Pasch und brachte vier Steine nach draußen. Jetzt hatte er nur noch zwei im Spiel, gegen meine fünf. Nicht einmal mehr ein Pasch konnte mich noch retten.
    Garcia lächelte nicht. Er nahm seinen Becher und rollte die Würfel mit so wenig Gefühl, als wäre es der erste Wurf im Spiel. Ohne jede Bedeutung. Alles noch offen. Nur, dass das erste Spiel damit vorbei war und ich verloren hatte.

     
    Er brachte seine letzten Spielsteine aufs Brett und schob seine große Pfote in die Smokingtasche. Diesmal zog er ein kleines schwarzledernes Notizbüchlein hervor und einen silbernen Drehbleistift, mit welchem er «160» auf die erste Seite schrieb.
    Es war halb neun. Zwanzig Minuten waren vergangen. Kostspielige zwanzig Minuten. Garcia mochte ein Pornograph und ein Schwein sein, doch mit seinem Glück stand es nicht schlecht, und er

Weitere Kostenlose Bücher