Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
Souvenir suchen, das sie während ihrer aktiven Zeit nie bekommen haben. Hauptsächlich SS-Zeug. Ich schätze, die SS strahlt eine gewisse schaurige Faszination aus. Aus offensichtlichen Gründen. Ich könnte jede beliebige Menge an SS-Kram verkaufen. Beispielsweise SS-Dolche. Sie sind sehr beliebt als Brieföffner. Dieses Zeug zu sammeln bedeutet selbstverständlich nicht, dass man mit dem Nazismus sympathisiert oder gutheißt, was geschehen ist. Es ist nun einmal geschehen, und es ist ein Teil der Geschichte, und ich sehe nichts Falsches darin, wenn sich jemand dafür interessiert und etwas besitzen möchte, das ein lebender Beweis dieser Geschichte ist. Wie könnte daran etwas falsch sein? Sehen Sie mich an. Ich bin Pole. Mein Name ist Szymon Woytak.»
    Er streckte mir die Hand entgegen, und ich ergriff und schüttelte sie lustlos und ohne rechte Begeisterung für ihn oder sein eigenartiges Geschäft. Durch das Schaufenster sah ich eine chinesische Tanzgruppe. Die Tänzer hatten ihre Löwenköpfe abgesetzt und eine Zigarettenpause eingelegt, als wären sie der bösen Geister nicht gewahr, die hier drin lauerten - sonst wären sie vielleicht durch die Tür gekommen. Woytak nahm das Eiserne Kreuz wieder an sich, das ich zu sehen gebeten hatte. «Woran erkennen Sie, dass es eine Fälschung ist?», fragte er.
    «Ganz einfach. Die Fälschungen sind aus einem einzigen Stück Metall gefertigt. Die Originale bestehen aus drei verschiedenen zusammengelöteten Stücken. Eine andere Methode, um herauszufinden, ob es echt ist, besteht darin, einen Magneten daran zu halten. Die echten Kreuze waren aus Eisen. Die Fälschungen sind aus billigen Legierungen hergestellt.»
    «Woher wissen Sie das alles?»
    «Woher ich das weiß?» Ich grinste ihn an. «Ich hatte selbst mal eins von diesen eisernen Dingern. Aus dem Ersten Weltkrieg», sagte ich. «Aber wissen Sie, es ist alles gefälscht. Alles hier drin. Restlos.» Ich winkte mit ausholender Geste auf den Inhalt seines Ladens. «Und der Glaube, der hinter all diesen lächerlichen Dingen steckt - der auch. Nichts weiter als ein billiger Trick, dazu gedacht, Menschen zum Narren zu halten. Eine Fälschung, die eigentlich niemanden hätte blenden dürfen, aber die Leute wollten daran glauben. Jeder wusste, dass es eine Lüge war. Selbstverständlich wusste jeder Bescheid. Doch alle wollten verzweifelt glauben, dass es keine war. Und sie vergaßen darüber, dass Adolf Hitler ein großer, böser Wolf war und Schlimmeres, auch wenn er gerne kleine Mädchen geküsst hat. Ein großer böser Wolf - das ist die Geschichte, Senor Woytak. Die wahre deutsche Geschichte, und nicht das hier. Nicht dieser lächerliche Souvenirladen.»
    Ich ging mit Yara nach Hause und verbrachte den weiteren Tag in meiner Werkstatt. Ich fühlte mich niedergeschlagen, doch es lag nicht an dem, was ich in Szymon Wöytaks Laden gesehen hatte. Das war Havanna, weiter nichts. Man konnte alles Mögliche in Havanna kaufen, vorausgesetzt, man hatte genügend Geld. Alles und jedes. Nein, es war etwas anderes, das mich deprimierte. Etwas, das mir näherlag. Oder zumindest dem Heim von Ernest Hemingway.
    Noreens Tochter Dinah.
    Ich wollte sie leiden können, doch ich stellte fest, dass es nicht ging. Nicht annähernd. Dinah erschien mir als halsstarriges, verzogenes Gör. Die Halsstarrigkeit war zu ertragen, das würde sich wahrscheinlich noch herauswachsen, wie bei den meisten Mensehen. Doch es war mehr nötig, um ihr das verwöhnte Gör auszutreiben. Zu dumm, dass Nick und Noreen Charalambides sich hatten scheiden lassen, als Dinah ein kleines Mädchen gewesen war. Wahrscheinlich hatte ihr in jungen Jahren die disziplinierende Art eines Vaters gefehlt. Vielleicht war das der wahre Grund, weshalb Dinah einen Mann heiraten wollte, der mehr als doppelt so alt war wie sie. Viele junge Frauen heirateten Ersatzväter. Oder vielleicht versuchte sie auch, ihrer Mutter heimzuzahlen, dass sie ihren Vater verlassen hatte. Auch das taten viele junge Frauen. Vielleicht war es beides. Oder vielleicht wusste ich nicht, wovon ich redete. Schließlich hatte ich nie selbst ein Kind aufgezogen.
    Später dann nahm ich ein Bad und zog einen guten Anzug an. Bevor ich nach draußen ging, verneigte ich mich einige Sekunden lang vor dem Santeria-Schrein, den Yara in ihrem Zimmer errichtet hatte. Es war nicht viel mehr als ein Puppenhaus, zugedeckt mit Spitzen und von Kerzen umstellt. Auf jeder Etage des Puppenhauses gab es kleine Tiere, Kruzifixe,

Weitere Kostenlose Bücher