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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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warten sie für gewöhnlich, bis sie wieder zu Hause sind, bevor sie richtig krank werden.»
    «Der hier geht nicht wieder nach Hause», bemerkte ich.
    «Ist er tot?», fragte Küttner.
    «Es sieht allmählich ganz danach aus, Herr Doktor.» «Dann kann ich ja mal was arbeiten für mein Geld, schätze ich.» Er nahm ein Stethoskop hervor und machte sich daran, nach einem Herzschlag zu suchen.
    «Ich gehe und unterrichte Frau Adlon», bemerkte Pieck und verließ das Zimmer.
    Während Küttner seiner Arbeit nachging, nahm ich den Leichnam ein weiteres Mal in Augenschein. Rubusch war ein schwerer, großer Mann gewesen mit kurzen blonden Haaren und einem fetten Säuglingsgesicht. Im Bett, von der Seite betrachtet, sah sein Körper aus wie ein Ausläufer des Harzgebirges. Ohne Kleidung fiel es mir nicht leicht, ihn einzuordnen, doch ich war sicher, dass es einen Grund gab, weshalb er mir bekannt vorkam, außer dem, dass er im Adlon wohnte.
    Küttner lehnte sich zurück und nickte mit einem befriedigten Ausdruck im Gesicht. «Ich würde sagen, er ist seit mehreren Stunden tot.» Mit einem Blick auf seine Taschenuhr fügte er hinzu: «Zeitpunkt des Todes irgendwann zwischen Mitternacht und sechs Uhr heute Morgen.»
    «Ich habe Nitro-Pillen im Bad gefunden, Doktor», sagte ich. «Ich war so frei, seine Sachen zu durchsuchen.»
    «Wahrscheinlich ein vergrößertes Herz.»
    «Alles vergrößert, wie es aussieht», erwiderte ich und reichte dem Arzt den kleinen gefalteten Zettel. «Und ich meine wirklich alles. Im Bad liegt eine Dreierpackung davon. Eins fehlt. Außerdem habe ich Schminke auf einem Handtuch gefunden, und der Geruch nach Parfüm lässt meiner Meinung nach die Schlussfolgerung zu, dass es in den letzten Stunden seines Lebens womöglich ein paar sehr glückliche Augenblicke gegeben hat.»
    Inzwischen hatte ich auf dem Schreibtisch eine Geldscheinklammer mit nagelneuen Banknoten entdeckt und fand mehr und mehr Gefallen an meiner Theorie.
    «Sie glauben doch wohl nicht, dass er in ihren Armen gestorben ist?», fragte Küttner.
    «Nein. Die Tür war von innen zugesperrt.»
    «Dann hat der arme Bursche vielleicht mit ihr geschlafen, sie hinterher zur Tür gebracht, abgesperrt und sich ins Bett gelegt, wo er nach all der Anstrengung und Aufregung gestorben ist.»
    «Sie haben mich überzeugt.»
    «Das Praktische an meiner Arbeit als Hotelarzt ist, dass Leute wie Sie nie sehen, wie voll meine Praxis ist mit kranken Menschen. Und aus diesem Grund erwecke ich bei Leuten wie Ihnen den Eindruck, als wüsste ich genau, was ich tue.»
    «Stimmt das etwa nicht?»
    «Nur manchmal. Die meisten ärztlichen Verschreibungen haben nur ein einziges Ziel, wissen Sie? Dass sich der Patient morgens besser fühlt.»
    «Er bestimmt nicht.»
    «Ich schätze, es gibt schmerzhaftere Wege in die Pathologie», sagte Küttner.
    «Nicht, wenn man verheiratet ist, Doktor.» «War er das? Verheiratet?»
    Ich hob die rechte Hand des Toten und zeigte ihm den goldenen Ehering.
    «Sie übersehen nichts, wie, Gunther?»
    «Nein. Weswegen ich die alte Weimarer Republik vermisse und eine anständige Polizei, die Kriminelle jagt, anstatt sie zu beschäftigen.»
    Küttner war kein Liberaler, aber er war auch kein Nazi. Vor ein paar Wochen hatte ich ihn wegen der Nachricht vom Tod Paul von Hindenburgs weinend auf der Herrentoilette angetroffen. Trotzdem sah er mich erschrocken an wegen meiner Bemerkung, und für einen Moment starrte er auf den Leichnam von Heinrich Rubusch, als könnte dieser meine Worte an die Gestapo weitergeben.
    «Entspannen Sie sich, Doktor, ganz ruhig. Nicht mal die Gestapo hat bis jetzt einen Weg gefunden, einen Toten zum Denunzianten zu machen.»
     
     
    Ich ging nach unten zum Empfang die Nachricht für Rubusch holen, deren Absender, wie sich herausstellte, Georg Behlert war. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, Rubusch möge seinen Aufenthalt im Adlon genossen haben. Ich kontrollierte den Dienstplan, als ich aus dem Augenwinkel Hedda Adlon bemerkte, die sich durch die Halle näherte, während sie mit Pieck redete. Das war mein Stichwort, wieder nach oben zu eilen und noch mehr herauszufinden, bevor sie mit mir reden konnte. Hedda Adlon schien meine Fähigkeiten etwas zu überschätzen, und ich wollte nicht, dass sich daran etwas änderte. Ich verdiente meinen Lebensunterhalt damit, zackige Antworten auf Fragen parat zu haben, an die andere Leute noch überhaupt nicht gedacht hatten. Eine Aura von Allwissenheit ist nicht nur für

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