Die Adlon - Verschwoerung
deutscher Name.» «Ich mag ihn nicht.»
«Meinetwegen, schön. Und nur um die Dinge ein klein wenig plausibler zu machen, machen wir aus Ihrer Großmutter eine Urgroßmutter. Um den Juden in Ihrer Familie eine Generation weiter nach hinten zu verlegen, sodass er unwichtig wird. Bis ich mit meiner Arbeit fertig bin, sehen Sie deutscher aus als der Kaiser.»
«Er war ein halber Engländer, oder nicht? Seine Großmutter war die Königin Victoria.»
«Stimmt. Aber sie war halb Deutsche. Genau wie die Mutter des Kaisers.» Linthe schüttelte den Kopf. «Niemand ist hundertprozentig irgendwas. Das ist ja genau das, was an diesem Arierparagraphen so verdammt dämlich ist. Wir alle sind irgendwo Mischlinge. Sie, ich, der Kaiser, Hitler. Hitler wahrscheinlich mehr als alle anderen, sollte mich jedenfalls nicht wundern. Es heißt, Hitler wäre zu einem Viertel Jude. Was sagen Sie dazu?»
«Vielleicht haben er und ich am Ende ja doch eine Gemeinsamkeit.»
Und wahrscheinlich hatte Hitler auch einen Freund beim Judenreferat der Gestapo, so wie ich.
Kapitel 13
Hedda Adlon hatte ebenfalls eine Freundin, und zwar eine, wie man sie für gewöhnlich außerhalb des Paradieses nicht findet. Ihr Name lautete Mrs. Noreen Charalambides, und ich hatte ihr Gesicht, ihren Hintern, ihre Waden und ihren Busen, schon zwei Tage bevor ich ihr vorgestellt wurde, an einem Ort in meinem faustischen Gedächtnis gespeichert, der bis zu jenem Moment für die Helena von Troja reserviert gewesen war.
Es gehörte zu meiner Arbeit, ein Auge auf die Gäste zu haben, und wann immer ich Mrs. Charalambides im Hotel oder der näheren Umgebung sah, warf ich alle acht Augen auf sie, während ich darauf wartete, dass ihre Schönheit mich von meinen düsteren Gedanken erlöste. Nicht, dass ich je versucht hätte, mit einem Gast zu «fraternisieren», wie es genannt wurde. Zumindest von Hedda Adlon und Georg Behlert - wenngleich mir nicht nach Brüderlichkeit war, wenn ich an Noreen Charalambides dachte. Wie man es nennen mochte, das Hotel missbilligte derartige Dinge. Sie geschahen selbstverständlich trotzdem, und einige der Zimmermädchen waren sich nicht zu schade, es gegen einen angemessenen Preis zu tun. Wann immer Erich von Stroheim oder Emil Jannings im Hotel wohnten, achtete der Empfangschef darauf, ihnen ein altes Zimmermädchen namens Bella zuzuweisen. Andererseits war Stroheim keineswegs wählerisch. Er mochte sie zwar jung - doch er nahm sie auch alt.
Es mag lächerlich klingen - und natürlich ist es das auch, Liebe ist lächerlich, das macht die Sache ja so spannend -, doch ich schätze, ich hatte mich ein wenig in Noreen Charalambides verliebt, noch bevor ich ihr begegnet war. Wie ein Schulmädchen mit einer Postkarte von Max Hansen im Ranzen. Ich betrachtete sie, wie ich mir einen Mercedes ssk im Schaufenster am Potsdamer Platz ansah: Ich rechne nicht damit, diesen Wagen jemals zu fahren, geschweige denn, ihn zu besitzen - doch Träume sind nicht verboten. Mrs. Charalambides war der schnellste und teuerste Wagen, den ich mir vorstellen konnte.
Sie war groß, ein Eindruck, der durch ihre Hutwahl noch verstärkt wurde. Sie trug einen grauen Tschako, den sie möglicherweise in Moskau erstanden hatte, ihrem vorherigen Aufenthaltsort. Eigentlich kam sie aber aus New York. Eine Amerikanerin auf dem Heimweg von irgendeinem Literatur- oder Theaterfestival in Russland. Vielleicht hatte sie den Zobelmantel auch in Moskau gekauft. Ich bin sicher, dem Zobel war es egal. Mrs. Charalambides sah jedenfalls besser aus in diesem Zobel als irgendeine Person, die ich jemals in einem gesehen hatte.
Ihr Haar, das sie zu einem Knoten hochgesteckt hatte, war gleichermaßen zobelfarben und, wie ich annahm, genauso seidenweich, wenn man darüberstrich. Und im Gegensatz zu einem Zobel nicht bissig. Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, mich von Noreen Charalambides beißen zu lassen. Jede Berührung ihres Schmollmundes, der mich an eine erdbeerrote Fokker Albatros denken ließ, wäre es wert gewesen, eine Fingerspitze oder ein Stück von meinem Ohr zu verlieren. Vincent van Gogh war nicht der einzige Kerl auf der Welt, der zu einer so leidenschaftlichen Opfergeste imstande war.
Ich ging dazu über, in der Eingangshalle herumzuhängen wie ein Page, in der Hoffnung, einen Blick auf sie zu werfen. Selbst Hedda Adlon bemerkte meine veränderte Stellenbeschreibung.
«Ich überlege, ob ich Sie bitten soll, Lorenz Adlons Regelwerk für Hotelpagen zu lesen»,
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