Die Adlon - Verschwoerung
Reles ansehen, um das zu wissen. Was auch immer der Amerikaner tat, um seine Brötchen zu verdienen, es wurde offensichtlich ganz hervorragend dafür bezahlt. Er war vermutlich sehr geschäftstüchtig. Eine Auswahl goldener Uhren und Ringe auf dem Nachttisch ließ mich zu dem Schluss kommen, dass diesem Mann seine Siebensachen oder die astronomischen Zimmerpreise des Hotels mehr oder weniger gleichgültig waren.
Die Torpedo auf dem kleinen Maschinentisch am Fenster war abgedeckt, doch die alphabetische Ziehharmonika-Akte am Fuß des Tisches verriet mir, dass sie reichlich in Gebrauch war. Der Aktenordner war voller Korrespondenz mit Baufirmen, Gasfirmen, Holzlieferanten, Gummiherstellern, Elektrikern, Installateuren, Zimmerleuten, Ingenieuren aus ganz Deutschland, angefangen im hohen Norden in Bremen bis hinunter nach Würzburg. Einige Briefe waren auf Englisch verfasst und an eine Avery Brundage Company in Chicago adressiert, ein Name, der mir etwas hätte sagen müssen.
Ich kramte im Papierkorb und zog ein paar Durchschläge hervor, um sie kurz zu überfliegen, bevor ich sie faltete und einsteckte. Ich dachte mir, dass Max Reles kaum Korrespondenz aus seinem Papierkorb vermissen würde, auch wenn es mir offen gestanden mehr oder weniger egal war angesichts der Tatsache, dass Reles allem Anschein nach Verträge mit Baufirmen wegen der Olympischen Spiele manipulierte. In einem Land, das von einer Bande Mörder und Betrüger regiert wurde, schien es mir wenig sinnvoll, einen verständlicherweise zögerlichen Otto Trettin davon zu überzeugen, dass er sich eines Falles annehmen musste, in den Nazigrößen verwickelt waren. Ich musste Reles ein wirkliches Verbrechen nachweisen. Ich hatte keine Ahnung, was. Egal, dachte ich bei mir. Es würde sich etwas ergeben, da war ich ganz sicher.
Selbstverständlich hielt ich bislang gegen ihn nur meine persönliche Abneigung und mein Misstrauen in der Hand. Aber meine Instinkte hatten mir in der Vergangenheit stets gute Dienste geleistet. Am Alex hatte es immer geheißen, dass ein gewöhnlicher Polizist den Mann verdächtigt, den alle anderen für schuldig halten, und ein außergewöhnlicher Ermittler den Mann, von dem jeder glaubt, dass er unschuldig ist.
Die Vorstellung beispielsweise, dass ein Mann wie Max Reles in einer Hotelsuite des Adlon ein Werkzeug wie einen Ratschenschraubenzieher benötigte, erschien mir irgendwie abwegig. Das Ding lag im Badezimmer auf der Fensterbank. Ich überlegte gerade, dass er wahrscheinlich von einem Hausmeister liegengelassen worden war, als mir die Beschriftung des Handgriffs auffiel. Yankee No. jj North Bros. Mfg. Co. Phil, pa, usa. Reles hatte den Schraubenzieher also aus den Vereinigten Staaten mitgebracht. Aber warum? Die vier sichtbaren Schraubenköpfe in einem Marmorpaneel, hinter dem der Spülkasten des Wasserklosetts verborgen war, waren viel einfacher zu lösen, als es eigentlich der Fall hätte sein dürfen.
Nachdem ich das Paneel entfernt hatte, spähte ich in den leeren Raum unterhalb des Wasserkastens und entdeckte einen Sack aus Segeltuch. Ich zog daran. Er war überraschend schwer. Ich hob den Seesack hoch, stellte ihn auf den Toilettensitz und löste die Verschnürung.
Der Besitz von Feuerwaffen, insbesondere Pistolen, war in Deutschland zwar verboten, doch Personen mit einem legitimen Anspruch auf Waffenbesitz konnten sich ohne Probleme bei jedem Magistrat gegen eine Gebühr von drei Mark einen Waffenschein ausstellen lassen. So gut wie jeder konnte völlig legal ein Gewehr, einen Revolver, selbst eine automatische Pistole besitzen. Doch ich nahm nicht an, dass es irgendwo in Deutschland einen Magistrat gab, der einen Waffenschein für eine Thompson-Maschinenpistole mit Trommelmagazin ausgestellt hätte. Der Seesack enthielt darüber hinaus mehrere hundert Schuss Munition, zwei halbautomatische Colts mit gummierten Griffen und ein Schnappmesser. Dazu einen weiteren, kleineren Beutel mit fünf dicken Bündeln Tausend-Dollar-Noten mit dem Porträt von Grover Cleveland sowie mehrere dünnere Päckchen Reichsmark. Außerdem eine Lederbörse mit etwa hundert Schweizer Goldfranken sowie ein paar Dutzend Benzedrin-Inhalatoren in Originalverpackungen von Smith, Kline & French.
All das - insbesondere die Maschinenpistole, die Chicago-Schreibmaschine - waren Anscheinsbeweise dafür, dass Max Reles eine Art von Gangster sein musste.
Ich legte alles zurück in den Seesack, schob ihn in das Versteck unter dem Wasserkasten und
Weitere Kostenlose Bücher