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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nicht. Er ruft die Namen auf, gibt ihnen eine Arbeitskarte, und sie melden sich, wo immer sie gerade am dringendsten gebraucht werden.» Er zuckte die Schultern. «Sie sind gute Arbeitskräfte, findet er, also was soll ich tun, das sind meine Anweisungen? Er erzählt mir nichts, und ich muss es nicht erfahren, verstehen Sie? Ich tue, was die Bosse mir befehlen.»
    «Irgendeine Idee, wie dieses Lokal heißt?»
    «Albert der Bär oder so.» Er nahm die zweite Eintrittskarte. «Aber ich will Ihnen einen guten Rat geben, Kamerad. Seien Sie vorsichtig. Eric Goerz war nicht bei den Württembergischen wie ich. Seine Vorstellung von Kameradschaft hat eher was mit Al Capone als mit der preußischen Armee zu tun, wenn Sie mich verstehen? Er ist nicht so schwer wie Sie, aber er hat ziemlich flinke Fäuste. Vielleicht liegt Ihnen das ja sogar. Sie sehen aus wie jemand, der auf sich selbst aufpassen kann. Aber Eric Goerz trägt außerdem eine Pistole. Und nicht dort, wo man es erwarten würde. Er hat sie in einem Halfter am Knöchel. Wenn er stehen bleibt und sich bückt, um einen Schnürsenkel zuzubinden, zögern Sie nicht. Treten Sie ihm die Zähne ein, bevor er Sie über den Haufen schießt.»
    «Danke für die Warnung, mein Freund.» Ich schnippte meine Zigarette ins Niemandsland. «Können Sie mir beschreiben, wie er aussieht - außer, dass er nicht so schwer ist wie ich?»
    «Warten Sie ...» Blask ließ den Vorschlaghammer sinken und strich sich über das ambossgroße Kinn. «Zum einen raucht er russische Zigaretten. Ich glaube jedenfalls, dass es russische sind. Flache Dinger, die stinken wie ein ganzes Nest brennender Wiesel. Sie riechen es, wenn er im Zimmer ist. Ansonsten ist er ein ziemlich durchschnittlicher Bursche, was das Aussehen angeht. Dreißig, fünfunddreißig Jahre alt, Zuhälterschnurrbart, dunkler Teint - er sieht aus, als müsste er einen Fez tragen. Er besitzt einen neuen Hanomag mit einem Brandenburger Nummernschild. Wahrscheinlich kommt er ursprünglich aus Brandenburg, ich weiß es nicht. Der Fahrer jedenfalls kommt von weiter südlich, Wittenberg, denke ich. Ein Schläger, genau wie Goerz, aber mit einer Reichweite wie die Palastbrücke, also seien Sie auf der Hut, wenn Sie sich mit diesen Leuten anlegen.»
     
     
    Im Süden von Pichelsberg führte eine Straße an der Havel entlang nach Beelitzhof und der zwei Kilometer langen Halbinsel Schildhorn. In der Nähe des Flussufers gab es einige kleine Lokale und Restaurants. Eine steile Treppe führte hinauf zu einem kleinen Wäldchen, das die Sicht auf das Denkmal verhinderte und auf das morgendliche Treiben. Der Treffpunkt war ideal ausgewählt - von der Straße aus war nichts zu erkennen.
    Das fragliche Lokal «Albert der Bär» war uralt und die Inneneinrichtung wohl noch aus der Zeit vor der Republik. Vor der Tür parkte ein Hanomag mit einem Brandenburger Nummernschild. Es sah aus, als wäre ich zur rechten Zeit gekommen.
    Ich fuhr vielleicht drei- oder vierhundert Meter weiter und parkte. Im Kofferraum von Behlerts Wagen fand ich einen Overall. Behlert hing ständig mit dem Kopf unter der Motorhaube des Mercedes. Ich stieg in den Overall und ging zu Fuß zurück zur Ortschaft und hielt nur inne, um meine Hände kurz in feuchtes Erdreich zu drücken und meinen Fingernägeln eine «Arbeitermaniküre» zu verpassen. Vom Fluss her wehte ein kalter Ostwind, ein Vorbote des bevorstehenden Winters, und brachte einen chemischen Gestank von den Gaswerken Hohenzollerndamm von Wilmersdorf mit.
    Vor dem Lokal lehnte ein großer Bursche mit einem Gesicht wie aus einer Verbrecherkartei an der Motorhaube des Hanomag und las in der Zeitung. Er rauchte eine Däumling und wartete wahrscheinlich auf seinen Boss. Ich stieß die Tür zum Lokal auf, und über mir läutete ein Glöckchen. Es war wahrscheinlich keine gute Idee, doch ich betrat das Lokal trotzdem.
    Ich wurde von einem riesigen ausgestopften Bären begrüßt. Er hatte das Maul weit aufgerissen und die Tatzen hoch erhoben - wahrscheinlich sollten Eintretende das Gefühl bekommen, sich verteidigen zu müssen. Für mich sah der Bär eher aus, als dirigierte er einen Bärenchor. Das Lokal war fast leer. Der Boden war ein Flickwerk aus billigem Linoleum. Tische mit hübschen gelben Tischdecken standen entlang der orangefarben gestrichenen Wände, an der Bilder mit Flusslandschaften hingen. In der anderen Ecke unter einer großen Fotografie der Spree mit Sonntagsruderern saß ein Mann in einer Wolke von

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