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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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stinkendem Zigarettenqualm und las in einer über den gesamten Tisch ausgebreiteten Zeitung. Er blickte kaum auf, als ich zu ihm ging.
    «Hallo», begann ich.
    «Mach keinen Fehler, Kerl», murmelte er. «Komm mir nicht auf den Gedanken, dich zu mir an den Tisch zu setzen. Ich gehöre nicht zu der Sorte, die gerne ein Schwätzchen mit wildfremden Leuten hält.»
    Er trug einen mittelgrünen Anzug mit einem dunkelgrünen Hemd und einer braunen Wollkrawatte darunter. Auf der Bank neben ihm erblickte ich einen Ledermantel und einen Hut und - aus keinem irgendwie ersichtlichen Grund - eine stabil aussehende Hundeleine. Die flachen gelben Zigaretten waren nicht russisch, sondern französisch. Was am Gestank nichts änderte.
    «Ich verstehe. Sind Sie Herr Goerz?»
    «Wer will das wissen?»
    «Stefan Blitz ist mein Name. Man hat mir gesagt, Sie wären der richtige Mann, wenn es um Arbeit auf der Olympiabaustelle geht?»
    «Aha? Und wer hat Ihnen das gesagt?»
    «Ein Kollege namens Trollmann. Johann Trollmann.»
    «Nie gehört den Namen. Arbeitet er für mich?»
    «Nein, Herr Goerz. Er hat erzählt, er hätte es von einem Freund. Ich kann mich nicht an den Namen erinnern. Trollmann und ich haben früher zusammen geboxt.» Ich zögerte. «Ich sage früher, weil wir heute nicht mehr zusammen boxen können. Es ist verboten, verstehen Sie? Die neuen Gesetze verbieten Nicht-Ariern die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen ... deswegen bin ich jetzt auf der Suche nach einer Arbeit.»
    «Ich für meinen Teil hatte nie etwas mit Sport am Hut», sagte Goerz. «Ich war zu sehr damit beschäftigt, meinen Lebensunterhalt zu verdienen.» Endlich blickte er von seiner Zeitung auf. «Ich sehe den Boxer in dir, allerdings kann ich nichts Jüdisches erkennen.»
    «Ich bin ein Mischling, Herr Goerz. Halb und halb. Doch das scheint für die Regierung keinen Unterschied zu machen.»
    Goerz lachte. «Nein, sicher nicht. Zeig mir deine Hände, Blitz.»
    Ich hielt ihm die Hände hin und zeigte ihm meine dreckigen Fingernägel.
    «Nicht die Handrücken, Bursche! Die Innenseiten!» «Wollen Sie mir die Zukunft vorhersagen oder was?» Seine Augen verengten sich, und er nahm einen letzten Zug an der zur Neige gehenden stinkenden Zigarette. «Vielleicht.» Ohne meine Hände zu berühren, fügte er hinzu: «Stark sehen sie ja aus. Aber nicht, als hätten sie viel gearbeitet.»
    «Wie ich bereits sagte, hauptsächlich habe ich mit den Fäusten gearbeitet. Aber ich kann eine Schaufel und eine Pickaxt halten. Im Krieg habe ich gelernt, wie man Gräben aushebt. Und nicht wenige Gräber obendrein, wenn ich das sagen darf.»
    «Traurige Geschichte.» Er drückte seinen Zigarettenstummel aus. «Sag mir, Blitz - weißt du, was ein Zehnt ist?»
    «Steht in der Bibel. Der zehnte Teil, richtig?»
    «Ganz recht. Nun denn - ich bin bloß der Vermittler. Die Baufirma bezahlt mich dafür, geeignete Männer zu finden. Aber ich bekomme auch eine Provision von euch, klar? Dafür, dass ich euch eine Arbeit vermittle. Einen Zehnt von dem, was du am Ende des Tages verdient hast. Betrachte es als deinen Gewerkschaftsbeitrag.»
    «Ein Zehnt ist aber eine ganze Menge für einen Gewerkschaftsbeitrag, Herr Goerz.»
    «Stimmt, Blitz. Andererseits können Bettler nicht wählerisch sein, richtig? Juden sind in den deutschen Gewerkschaften nicht erlaubt. Unter den gegebenen Umständen ist ein Zehnt also nicht zu viel verlangt. Nimm an oder lass es, ist mir gleich.»
    «Ich nehme an, Herr Goerz.»
    «Dachte ich mir. Abgesehen davon, wie ich schon sagte - es steht in eurem heiligen Buch. In der Genesis, Kapitel vierzehn, Vers zwanzig: Sieh es am besten so, Blitz. Als deine heilige Pflicht. Und wenn du das nicht in den Kopf kriegst, dann denk daran: Ich nehme nur die Kerle, die mir den Zehnten geben. Klar?»
    «Klar.»
    «Also dann. Punkt sechs Uhr morgen Früh. Draußen beim Denkmal. Vielleicht kriegst du Arbeit, vielleicht auch nicht. Kommt ganz darauf an, wie viele gebraucht werden.»
    «Ich werde dort sein.»
    «Meinst du, das interessiert mich?» Goerz wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Die Audienz war vorbei.
     
    Ich hatte mich mit Noreen im Romanischen Cafe am Kurfürstendamm verabredet. Es war beliebt und bekannt bei den Berliner Literaten und erinnerte an ein Luftschiff, das außerplanmäßig vor einem vierstöckigen romanischen Bauwerk niedergegangen war. Oder vielleicht war es auch die moderne Variante eines

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