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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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Kastilisch ist noch… Latein.«
    Die Bibliothekarin wusste nicht, was sie antworten sollte, und María sah, dass sie unzufrieden mit sich selbst war. Sie wandte sich an die übrigen Kopistinnen und stellte ihnen dieselbe Frage. Eine der Novizinnen erhob sich von ihrem Platz und trat näher. Es war ein junges, nicht sehr großes Mädchen. Ihre glänzenden Augen blickten die beiden Nonnen unbefangen an, doch ihre geröteten Wangen verrieten die Überwindung, die es sie kostete, vor ihren Mitschwestern das Wort an die Äbtissin zu richten. María war neugierig. Dieses junge Mädchen, Inés, war vor einigen Monaten ins Kloster gekommen, aber sie konnte sich nicht erinnern, woher sie stammte. Sie hatten lediglich bei ihrer Ankunft ein paar Sätze gewechselt, bevor sich die Novizenmeisterin ihrer angenommen hatte. In der Folge hatte sie sich unauffällig in die Klostergemeinschaft eingefügt. Sie sprach nicht viel, und da sie erklärte, lesen und schreiben zu können, hatte man ihr eine Aufgabe als Kopistin im Skriptorium zugewiesen. Das war alles, woran sich die Äbtissin im Augenblick erinnern konnte. Das junge Mädchen sah ihr direkt in die Augen, aber ihre Wangen hatten noch mehr Farbe angenommen.
    »Euer Gnaden mögen mir meine Dreistigkeit verzeihen, aber vielleicht vermag ich Eure Frage zu beantworten«, sagte Inés leise.
    Teresa wand sich unbehaglich. Die Novizinnen, die im Skriptorium arbeiteten, unterstanden ihrer Aufsicht, und sie fühlte sich für ihr Betragen verantwortlich. Was mochte die Äbtissin von einem jungen Ding halten, das sich herausnahm, eine Frage zu beantworten, auf die sie selbst keine Antwort wusste?
    »Du weißt eine Antwort… Inés?«
    Dass sich María an ihren Namen erinnerte, schien dem Mädchen Selbstvertrauen zu geben.
    »Die kastilische Krone vereint viele Gegenden, in welchen andere Sprachen gesprochen werden: Galizisch, Katalanisch, Baskisch… die Araber in den eroberten Territorien halten ebenso an ihrer Sprache fest wie die Eingeborenen Westindiens.«
    Der finstere Blick der Bibliothekarin ließ sie verstummen.
    María lächelte offen. Natürlich, wie hatte sie nur die von Kastilien vereinnahmten Länder vergessen können? Das Feld ihrer Nachforschungen würde größer sein als erwartet, aber immerhin!
    »Woher weißt du diese Dinge?«, fragte sie die Novizin.
    »Mein Vater war Händler. Er erzählte mir immer von den Ländern, die er bereiste.«
    María warf Teresa einen Blick zu und sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass die Unterhaltung zu lange dauerte. Sie traf einen Entschluss.
    »Ich möchte Euch bitten, mir dieses junge Mädchen für eine Weile zu überlassen.« Es war eher ein Befehl als eine Bitte. »Ich glaube, sie könnte mir bei der Arbeit behilflich sein, mit der ich gerade befasst bin.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und bedeutete Inés, ihr zu folgen. Die Novizin machte eine entschuldigende Geste in Richtung der Bibliothekarin und eilte hinter der Äbtissin her.
    Wortlos gingen sie den Flur entlang. María überlegte, wie sie die Sache anpacken sollte, ohne Verdacht zu erregen. Sie war sich sicher, dass das Mädchen verschwiegen sein würde. Dennoch durfte man die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass jemand ihr Vorgehen falsch auslegte. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine Äbtissin abgesetzt und zu niederen Tätigkeiten verdammt wurde, weil man ihr unterstellte, ihre Pflichten vernachlässigt und sich um persönliche Angelegenheiten gekümmert zu haben, die nicht der Gemeinschaft dienten. Viele Frauen waren nicht aus freien Stücken im Kloster und fühlten sich nicht verpflichtet, echte Frömmigkeit und Hingabe für den Orden zu empfinden. Da sie nie aus den Klöstern herauskamen, bestand ihr einziges Streben darin, innerhalb der Ordensgemeinschaft, der sie angehörten, zu höchsten Würden zu gelangen. Das war nicht Marías Ehrgeiz, aber sie wollte keine Fehler begehen, die das Ziel in Gefahr brachten, das sie sich gesteckt hatte. Als sie das Studierzimmer betraten, bedeutete sie Inés, die Tür zu schließen und auf der anderen Seite des Tisches Platz zu nehmen.
    »Nun, Inés, ich glaube, du könntest mir bei einer Arbeit von Nutzen sein, die ich vor kurzem begonnen habe. Unsere ehrwürdige Mutter Doña Elvira, sie ruhe in Frieden – beide bekreuzigten sich – wollte ein Kompendium der Konvente und Klöster der Augustinerinnen in Kastilien und den diesem verbundenen Ländern erstellen; alle Informationen über sie zusammentragen,

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