Die Äbtissin
ihre Lage, Anzahl, Liegenschaften und Weiteres. Es ist eine Arbeit, die nie in Angriff genommen wurde. Ich bin überzeugt, dass unsere jetzige Mutter Oberin angenehm überrascht sein wird, wenn es uns gelingt, dieses Kompendium zu erstellen. Da wir zusammenarbeiten werden, würde ich gerne ein wenig mehr über dich erfahren als deinen Namen und dass du eine fleißige, des Lesens und Schreibens mächtige Person bist.«
Das Mädchen hatte schweigend zugehört und errötete nun, als es die letzten Worte hörte.
»Nun ja, Doña María, ich bin das einzige Kind meiner Eltern gewesen, die leider gestorben sind.« Ihre Augen wurden feucht, aber sie sprach weiter. »Folglich bin ich ihre Erbin, aber wie Ihr wohl wisst, muss ich unter der Vormundschaft eines Angehörigen stehen, bis ich die Gelübde ablege oder mich vermähle. Mein nächster Verwandter ist ein Onkel, für den ich nicht die geringste Zuneigung empfinde. Als meine Eltern starben, kümmerte er sich um die Geschäfte und entschied, dass es das Beste sei, mich mit seinem Sohn zu verheiraten, damit der Besitz in der Familie blieb, und teilte mir seinen Entschluss mit. Der bloße Gedanke, die Frau meines Vetters zu werden, verursachte mir eine Gänsehaut und ich beschloss, mit der Hilfe eines Freundes meines Vaters, Don Alvaro Fernández, davonzulaufen und für eine Weile zu verschwinden.«
»Woher stammst du, Inés?«
»Aus der Stadt Bilbao, Señora, in der Grafschaft Biskaya.«
María konnte ihre Überraschung nicht verbergen. Die Grafschaft Biskaya war ein entlegener Ort für sie, von dem sie nur gelegentlich gehört hatte, und dies stets aus dem Munde von Soldaten, die um dieses Land gekämpft hatten. Die Biskayer standen im Ruf, ungebändigt und streitbar zu sein, immer im Krieg gegen Mauren und Christen und sogar untereinander. Ihre Frauen, so hieß es, seien stolz und herausfordernd; sie kleideten sich anders als die Kastilierinnen, pflegten laszive Gewohnheiten und seien ebenso wie ihre Männer heidnischen Riten und Gebräuchen zugetan. Und da saß ihr nun ein junges Mädchen von der Biskaya gegenüber, das so ganz anders war, wenngleich offenbar mit einem starken Willen gesegnet, denn lieber hatte sie ihr Zuhause und ihre Stadt verlassen, als jemanden zu heiraten, den sie verachtete.
»Aber warum Madrigal?«, wollte sie von ihr wissen. »Gibt es keine Klöster in Bilbao?«
»Doch, die gibt es, Señora, aber ich wollte so weit weg wie möglich, denn dort ist es ein Leichtes, jemanden ausfindig zu machen, der sich verbergen will. Mein Vetter, da bin ich mir sicher, wird in allen Klöstern nachgeforscht haben. Er ist sehr mächtig. Don Alvaro Fernández lebt in Medina del Campo, und mit ihm bin ich hierher gekommen.« Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie weitersprach. »Ich muss Euch gestehen, dass es nicht in meiner Absicht liegt, den Schleier zu nehmen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, aber ich glaube nicht, dass ich zur Nonne berufen bin.«
Das Mädchen senkte den Blick. María war sehr begierig, mehr über Inés und ihre Heimat zu erfahren, aber dazu würde später noch Zeit sein.
»Nun, Inés«, sagte sie lächelnd, »wir werden uns später über deine Zukunft unterhalten. Jetzt möchte ich mit dir die Frage erörtern, die ich vorhin stellte. Spricht man in deiner Heimat kein Kastilisch?«
»Man hört es nur gelegentlich in der Stadt. Für gewöhnlich bedienen sich die Leute des Baskischen.«
»Ist das ein Dialekt oder dergleichen?«
»Nein, Doña María, denn in einem Dialekt gibt es viele Wörter, die man verstehen kann, das Baskische hingegen ist völlig unverständlich für jemanden, der es nicht kennt.«
Sie sprach mit großer Überzeugung, ihrer Worte gewiss. María war aufrichtig interessiert, Ungeduld begann sich in ihr zu regen. Sie spürte, dass etwas Wichtiges passieren würde und dass sie sich auf dem richtigen Weg befand.
»Bedeutet das, dass ich kein Wort verstehen werde, wenn du jetzt etwas in dieser Sprache zu mir sagst?«, wollte sie wissen.
Inés lachte ausgelassen, wie es ihrem Alter eigen war.
»Kein einziges Wort, ehrwürdige Mutter.«
María lachte ebenfalls. Neben Kastilisch sprach sie perfekt Latein, sie konnte Griechisch und beherrschte ein wenig Französisch. Eine Sprache von Bergbewohnern konnte sich nicht allzu sehr von ihnen unterscheiden.
»Du scheinst dir sehr sicher zu sein«, sagte sie. »Nun, lass uns eine Probe machen. Sag etwas in deiner Sprache, von der du behauptest, sie sei so
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