Die Äbtissin
erfüllte.
Wochenlang trugen sie eifrig alles zusammen, was in den Klosterarchiven über die Niederlassungen von Augustinerinnen in Kastilien zu finden war. Sie fertigten eine Landkarte an und verzeichneten darin die Lage der einzelnen Konvente und Klöster. Da das Material, über das sie in Madrigal verfügten, nicht sehr umfangreich war, schrieben sie nach Toledo mit der Bitte, ihnen Dokumente zu senden, die mit den Klostergründungen in Kastilien und den übrigen Kronländern zu tun hatten. Des Weiteren erbaten sie unmittelbar von den Äbtissinnen Auskunft über ihre Häuser.
María und Inés verbrachten viele Stunden miteinander. Um keinen Argwohn zu erregen, erledigten sie einen Großteil der Arbeit in der Bibliothek, unterstützt von Teresa und den übrigen Schwestern, die sich von ihrem Enthusiasmus anstecken ließen. Anfang Dezember – es herrschte eine außergewöhnliche Kälte – war das Schriftstück fertig gestellt. Es war ein erschöpfendes Kompendium der Konvente, Enklaven, Ländereien, der Anzahl der jeweiligen Ordensschwestern und des Einflussbereiches. Sie hatten jedem Abschnitt eine ausführliche Aufstellung der Einrichtungen beigefügt und in einigen Fällen eine veranschaulichende Modellzeichnung. Alle, die daran mitgewirkt hatten, waren sich einig, dass das Werk eines königlichen Sekretariats würdig war, wenngleich keine von ihnen je Gelegenheit gehabt hatte, ein Schriftstück des Hofes in Händen zu halten.
»Wann werdet Ihr es nach Toledo schicken, Doña María?«, fragte Teresa.
»Ich übergebe es Euch zu treuen Händen«, lautete Marías Antwort. »Es gibt niemanden hier, der mir größere Gewissheit geben könnte, dass das Dokument seinen Bestimmungsort erreicht.«
Das Gesicht der Bibliothekarin strahlte vor Zufriedenheit und María lächelte vergnügt. Es war so einfach, die Menschen glücklich zu machen! Jeder hatte einen schwachen Punkt, aber bei manchen trat er deutlicher zutage als bei anderen. Der ihre, ihre Vergangenheit, war gut verborgen, und sie würde nicht zulassen, dass jemand erfuhr, wie sehr sie diese Frage beschäftigte.
In jenen Wochen führte sie lange Gespräche mit Inés. Inés war eine aufrichtige Seele, die nichts verbarg, und es war ein Leichtes, ihr die gewünschten Auskünfte über ihren Geburtsort zu entlocken, der auch ihr eigener sein konnte.
So erfuhr María, dass Bilbao aufgrund des Hafens, der das kastilische Binnenland und die umliegenden Regionen mit Ländern wie Frankreich, England, Flandern und Portugal verband, eine wohlhabende, geschäftige Stadt war. Haupteinnahmequelle waren die Eisenminen, die Schmieden und der Handel. In einer Zeit, in der Seeschlachten einen Krieg entscheiden konnten, war neben dem Seehandel und der Fischerei auch der Schiffsbau zu nennen.
Inés’ Vater, Martín de Múgica, war ein angesehener Reeder und Händler gewesen, der ein großes Vermögen angehäuft hatte. Bei seinem Tod ging die Verfügungsgewalt über dieses auf seinen Schwager über, einen gewissen Tristán de Leguizamón, der mit Martíns Schwester Luisa verheiratet war. Dieser Leguizamón übertrug die Verwaltung des Erbes an seinen Sohn, gleichfalls Tristán mit Namen, der nach den Worten der jungen Novizin ein hartherziger, egoistischer und machtgieriger Mann war. Er ruhte nicht eher, bis er seine Ziele erreicht hatte, und arbeitete darauf hin, das Oberhaupt einer der einflussreichsten Familien der Biskaya zu werden und außerdem Anführer der Oñacinos.
Die in den beiden Parteien der Oñacinos und der Gamboinos organisierten Familien hassten sich auf den Tod. Die Ursprünge des Konflikts verloren sich in der Vergangenheit, und niemand vermochte mit Gewissheit den wahren Grund zu benennen, warum die Auseinandersetzung trotz der großen Verluste an Menschenleben und Eigentum fortdauerte.
»Die Angelegenheit ist ziemlich kompliziert«, versuchte das Mädchen zu erklären. »Die Hauschefs oder Andikis, wie wir sie nennen, erben die Ländereien in direkter Linie, sind jedoch verpflichtet, sich um ihre Geschwister, Vettern und die übrigen Familienmitglieder zu kümmern, die für sie arbeiten. Einige von diesen haben Majoratsgüter gegründet und sich losgesagt; das sind die so genannten Nebenlinien. Wenn ein Andiki mit einem anderen in Streit gerät, ruft er zu den Waffen und alle Familienzweige müssen ihm Beistand leisten. Deshalb gehört in Bilbao nahezu die Hälfte der Bevölkerung den Gamboinos an und die andere den Oñacinos. Beide Parteien
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