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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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erleichtert aufgeatmet, als sie die Mönche am nächsten Tag aufbrechen sah, nachdem diese sich kurz angebunden von der Äbtissin verabschiedet hatten.
    Es vergingen Tage, bis sie erneut einen ruhigen Moment fand, um die Lektüre des Manuskripts fortzusetzen. Auf den folgenden Seiten hatte Doña Elvira ihren Namen nicht erwähnt. María glaubte schon, dass sie nichts mehr finden würde. Die Eintragungen wurden spärlicher, manchmal waren es lediglich ein paar Bemerkungen über Monate hinweg. Es hatte den Anschein, als wäre die Verfasserin in jener Zeit sehr beschäftigt gewesen oder als hätte sie schlicht das anfängliche Interesse am Schreiben verloren. Marías Hoffnung begann zu sinken, dass ihre Suche erfolgreich sein könnte, als ihr Blick auf ein weiteres Datum und einen weiteren Namen fiel.
    »Annus Domini i486, fünfzehnter März Heute ist erneut derselbe Mann zum Kloster gekommen, der uns vor drei Jahren María Esperanza brachte. Diesmal übergab er uns ein weiteres, etwa sechsjähriges Mädchen. Seine Worte waren die gleichen wie damals: ›Unsere Königin befiehlt, dass sie hier bleiben soll‹ Dann ging er, gefolgt von seinen bewaffneten Männern. Dem Mädchen, obzwar ein wenig verängstigt, geht es gut. Es hat ein hübsches Gesicht und heißt ebenfalls María.«
    Einige Tage später schrieb sie:
    »Die beiden Mädchen, die zwei Marías, wie wir sie nennen, vertragen sich bestens. María Esperanza kümmert sich um die Kleine und sagt ihr, was sie tun soll. Sie schlafen in einem Bett und spielen zusammen. Wenn ich sie so betrachte, komme ich nicht umhin, über den Grund ihres Hierseins nachzudenken. Es ist nicht das erste Mal, dass man uns Mädchen ins Kloster bringt, doch im Allgemeinen wissen wir, woher sie kommen.
    In diesem Falle wissen wir gar nichts. Sie haben zwei Dinge gemeinsam: Sie tragen denselben Namen und wurden auf Befehl Doña Isabellas von demselben Mann hergebracht. Weshalb schickt uns die Königin von Kastilien zwei Mädchen, ohne uns etwas über sie mitzuteilen? Will sie ihre Existenz verbergen? Wer sind ihre Eltern?«
    Sie fand keine weitere Eintragung und verspürte eine herbe Enttäuschung, gepaart mit Erleichterung. Ihre geliebte Lehrerin hatte ihr nichts vorenthalten. Sie hatte ihr alles gesagt, was sie wusste. María seufzte und legte das Manuskript auf den Tisch. Es stand fest, dass sie eigene Nachforschungen außerhalb der Klostermauern würde anstellen müssen, und sie hatte nur einen einzigen Hinweis, um mit der Suche zu beginnen: Sie hatte eine Sprache gesprochen, die Doña Elvira nicht verstand, und diese war eine kultivierte, belesene Frau gewesen. Auch keine der anderen Nonnen schien sie verstanden zu haben, denn sonst hätte Doña Elvira dies erwähnt.
    Nachdem sie einige Dinge erledigt hatte, die ihre Aufmerksamkeit erforderten, ging sie am späten Vormittag in die Bibliothek. Die Register hatte sie bei sich, nicht aber die Mappe. Sie hatte beschlossen, sie zu behalten. Diese Papiere enthielten viele gute Ratschläge zur Verwaltung des Klosters, die ihr nützlich sein konnten. Aber in Wahrheit wusste sie genau, dass sie die Mappe deshalb nicht zurückgab, weil sie etwas besitzen wollte, das ihrer Lehrerin gehört hatte. Sie übergab Teresa die Register, ohne den Lederumschlag zu erwähnen. Die Bibliothekarin schien sich nicht daran zu erinnern, und falls sie sich daran erinnerte, sagte sie ebenfalls nichts.
    »Habt Ihr gefunden, wonach Ihr suchtet?«
    In ihrer Frage schwang Neugierde mit, aber vor allem lag ihr daran zu erfahren, ob sie ihr von Nutzen hatte sein können.
    »Ja, danke, Teresa«, antwortete die Äbtissin. »Wenn auch nicht so ganz. Sagt mir, wird in Kastilien eine weitere Sprache neben dem Kastilischen gesprochen?«
    Die Bibliothekarin sah sie überrascht an.
    »Die Sprache Kastiliens ist kastilisch, Doña María.«
    »Ja, das ist mir wohl bekannt… was ich wissen möchte ist, ob es noch eine weitere gibt, einen Dialekt«, erklärte sie sich, »irgendeine andere Sprache, die jemand, der nur Kastilisch spricht, nicht versteht.«
    »Nun…« – Teresa versuchte rasch zu überlegen – »… Latein.«
    María lächelte. Die Antwort war nicht schlecht. Das Lateinische war nur den Geistlichen und Gelehrten zugänglich. Das gemeine Volk wusste nichts damit anzufangen, auch wenn in der Kirche auf Lateinisch gebetet und die Fürbitten für gewöhnlich in dieser Sprache erwidert wurden.
    »Ich meine eine Sprache, die vom Volk gesprochen wird und die weder

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