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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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dann zog sie an den Schultern, und das Kleine rutschte hässlich und verschrumpelt nach draußen, ganz mit Blut und Schleim bedeckt. María beobachtete gebannt Joaquinas Handgriffe; diese hob das Kind an den Füßen hoch und gab ihm einen Klaps, damit es atmete. Dann legte sie es auf die Laken und trennte geübt die Nabelschnur durch, die es noch mit seiner Mutter verband.
    »Es ist ein Junge! Hässlicher als der leibhaftige Teufel!« Sie lachte vergnügt. »Aber er ist gesund und es fehlt ihm nichts.«
    Sie nahm das Kind, wickelte es in ein Tuch und übergab es ihrer Superiorin.
    »Wenn Euer Gnaden die Güte hätten, das arme Engelchen ein wenig zu waschen… Ich muss noch die Plazenta herausdrücken, die sich noch im Leib der Mutter befindet und Infektionen und Fieber verursachen kann.«
    Sie ließ María mit dem kostbaren Bündel stehen, kehrte zum Bett zurück und drückte mit ihren dicken Händen kräftig auf den Leib der Frau, damit sich die Plazenta löste.
    Die Äbtissin betrachtete sprachlos den weinenden Knaben in ihren Armen. Er war rot vor Anstrengung und am ganzen Körper mit Blut verschmiert. Er presste fest seine Fäustchen zusammen und schrie aus Leibeskräften, wobei er sein zahnloses Mündchen aufriss wie ein alter Mann. Welch ein sonderbares, wundervolles Gefühl war es, dieses neue, zerbrechliche und gleichzeitig zähe Leben an ihrer Brust zu spüren! Sie würde niemals Mutter werden können. Man hatte ihr auch die größte und vielleicht einzige Freude verwehrt, die eine Frau im Leben haben konnte. Ein weiterer Schrei ließ sie zusammenfahren.
    »Was ist los, Joaquina?«, fragte sie beunruhigt. »Läuft etwas schief?«
    Die Nonne kniete erneut zwischen den Beinen der Gebärenden.
    »Diese Frau bekommt noch ein Kind!«
    »Heilige Muttergottes!«, rief die Bäuerin verschreckt aus. »Was wird bloß mein Mann sagen?«
    »Was soll er schon sagen!«, entgegnete Joaquina. »Der Herrgott segnet Euch mit zwei Kindern statt mit einem und dein Mann ist auch daran beteiligt. Jungfrau und Mutter zugleich ist nur eine gewesen! Nur Mut! Pressen! Dieses ist kleiner, es wird also nicht so schlimm werden.«
    Petra hatte María das erste Kind aus den Armen genommen und rieb es mit einem sauberen Tuch ab, das sie in Rosmarinöl tauchte. Gleichzeitig bekreuzigte sie seinen ganzen Körper mit dem Daumen, um die bösen Geister zu vertreiben, die sich der Neugeborenen bemächtigten, wenn sie noch nicht getauft waren. Ehe sie sich’s versah, hielt María das zweite Kind, ein Mädchen, in den Armen. Sie konnte die Tränen der Rührung nicht zurückhalten.
    Seit damals war kein Monat vergangen, ohne dass einer aus der Familie mit einem Korb Äpfel oder ein paar frischen, mit Milch gebackenen Maiskuchen zum Kloster kam.
    Meister Antón wollte nichts von einer Bezahlung für den Karren und das Pferd wissen.
    »Was Ihr für meine Frau und meine Kinder getan habt«, sagte er, »wird Euch Gott im Himmel vergelten, aber ich möchte es Euch hier auf Erden vergelten. Ich will nichts mehr von Geld hören, Doña María. Außerdem wird Euch mein zweiter Sohn Antoñino auf der Reise begleiten. Nicht, dass Ihr Probleme mit dem Wagen oder dem Pferd bekommt. Außerdem sollten drei Frauen nicht alleine auf diesen Wegen voller Diebe und üblem Gesindel unterwegs sein. Der Junge ist stark und groß für sein Alter. Die Reise wird ihm gut tun, und ich bin überzeugt, dass er Dinge lernen wird, die uns später allen zugute kommen.«
    Einige Tage später machten sich María und ihre Begleiter auf den Weg. Sie winkte lebhaft zum Abschied, dann richtete sich ihr Blick hoffnungsvoll auf den Weg, der vor ihr lag.
     
     
    Das Rumpeln des Wagens und die aufgeregten Gespräche ihrer Reisegefährten hielten María nicht davon ab, ihren Gedanken nachzuhängen. In den Mantel gehüllt, um sich vor der morgendlichen Kälte zu schützen, sah sie die von den ersten Sonnenstrahlen in ein goldenes Licht getauchten kastilischen Felder vorüberziehen. Um diese Jahreszeit standen sie noch ohne das Korn da, das sie den größten Teil des Jahres schmückte.
    »Seht! Seht nur, Doña María!«
    Joaquina deutete auf einen Hügel, auf dem sich majestätisch eine Festung erhob.
    »Sind wir schon in Medina?«, fragte sie ungeduldig.
    »Nein, Schwester. Bis dorthin sind es noch viele Meilen. Ihr werdet es rechtzeitig merken, denn Medina ist eine richtige Festungsstadt und ihre Türme sind weithin zu sehen.«
    María lächelte, als sie hörte, wie Inés Joaquina in

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