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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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denn es stand einer Person des geistlichen Standes nicht zu, schlecht über andere zu sprechen, besonders wenn es sich um hoch gestellte Persönlichkeiten handelte. Die Erinnerung daran entlockte María ein Lächeln. Die arme Doña Elvira! Aber ihre Lehrerin musste die außerehelichen Liebschaften der Königin erwähnen, um zu erklären, weshalb sich Kastilien in zwei Parteien gespalten hatte: die Anhänger Prinzessin Johannas, der man den Beinamen La Beltraneja gegeben hatte, eine deutliche Anspielung auf ihre mutmaßliche Herkunft, und die Unterstützer Alfons’ und später, nach dem Tod des Infanten, Doña Isabellas. Es gingen Gerüchte über die – um der Sache einen Namen zu geben – beschränkten Fähigkeiten des verstorbenen Königs Heinrich, seine Gemahlin Johanna von Portugal im Bett zufrieden zu stellen, eine Frau von außergewöhnlicher Schönheit, die keine Skrupel hatte, die Dienste des Günstlings und weiterer Herren in Anspruch zu nehmen, wo dies nur ihrem königlichen Gemahl zustand. Der König ernannte seine Halbschwester Isabella zur Thronerbin, erkannte indes auf dem Totenbett die Beltraneja als seine Tochter an. Der folgende Bürgerkrieg währte mehrere Jahre, und wie alle Kriege übersäte er die kastilischen Felder mit Toten, stürzte die Bewohner in den Ruin und verursachte endloses Leid. Don Beltrán de la Cueva stellte sich auf die Seite Doña Isabellas, wodurch er in gewisser Weise seine vermutete Vaterschaft bestritt und die Angelegenheit für beigelegt erklärte. Aber wenn nicht er der Vater der Prinzessin war, so konnte diese tatsächlich eine Tochter des Königs sein. Damit hatte sie Anspruch auf die Krone und konnte Doña Isabella in eine ungünstige Position bringen. Hätte ihre Seite gesiegt, wäre die Geschichte Kastiliens anders verlaufen, dachte María… und ihre eigene ebenfalls.
    »Weshalb flüsterst du so leise, dass wir dich kaum verstehen können?«, wandte sie sich nun mit einem Hauch von Ironie an Joaquina.
    Die Nonne blickte sich vorsichtig um, bevor sie antwortete.
    »Es ist weder der Gesundheit des Körpers, noch der des Geistes zuträglich, laut zu sagen, was man im Stillen denkt.«
    »Aber Ihr habt doch nichts gesagt!«, rief Inés und begann zu lachen.
    Joaquina lief dunkelrot an. Wäre María nicht eingeschritten und zum Ausgangspunkt der Unterhaltung zurückgekehrt, hätte sie womöglich eine böse Antwort gegeben und einen Streit heraufbeschworen, der ohne Zweifel ihr bislang herzliches Einverständnis getrübt hätte.
    »Du wirst jedenfalls nicht bestreiten können, dass das Leben der Bauern sehr hart ist…«
    »Nicht härter als das eines Soldaten, der sein Haus verlassen und lange Jahre im Krieg gegen die Ungläubigen verbringen muss, Euer Gnaden.«
    María war nach Lachen zumute, aber sie riss sich zusammen. Joaquina war eine einfache Seele, der es nie in den Sinn gekommen wäre, die Ordnung der Dinge infrage zu stellen, und im Grunde genommen hatte sie Recht. Man konnte nichts ändern, und niemand würde den Versuch unternehmen. Die Herren hatten das Glück gehabt, als Herren geboren zu werden, und die Untertanen begnügten sich mit einem Stück Brot und einem Dach über dem Kopf, das sie vor der Hitze des Sommers und der Kälte des Winters schützte.
    Die Menschenkarawane, die mit ihnen auf der schmalen Landstraße unterwegs war, wurde immer größer, je näher sie der Stadtmauer kamen. Bauern zu Fuß und Herrschaften zu Pferde, alle strömten dem großen Tor in der Mauer zu. Dort kontrollierte eine Kompanie Soldaten die Ankömmlinge und durchsuchte willkürlich einige Karren und Waren. Als die Reihe an ihnen war, sah sie der, in dem sie den Anführer der Truppe vermuteten, ein wenig erstaunt an. María nahm an, dass es nicht eben alltäglich war, drei Nonnen zu sehen, die auf einem Karren reisten.
    »Woher kommt Ihr?«, fragte der Soldat.
    Sein Ton war respektvoll, wie es sich gehörte, wenn man sich an jene wandte, die ein Habit trugen. Er war ein großer, kräftiger junger Mann in ledernen Hosen und einem Ringpanzer, der seine massige Gestalt noch betonte. Er war barhäuptig und sein gelocktes, widerspenstiges Haar fiel ihm bis über die Schultern. Trotz seines wilden Äußeren zeugten sein freundlicher Blick und das Lächeln, das er ihnen schenkte, von einem liebenswürdigen, angenehmen Charakter.
    »Wir kommen aus Madrigal, Soldat«, antwortete ihm María gleichfalls lächelnd.
    »Werdet Ihr länger in Medina bleiben?«
    »Nein. Wir wollen nur die

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