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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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Überheblichkeit wich einer Demut, die nicht gespielt war.
    »Ich habe es zum Besten der Familie getan«, murmelte er.
    »Sagt lieber, dass Ihr es zu Eurem eigenen Vorteil tatet, ohne die Folgen zu bedenken, die ein solches Vorgehen für meine Mutter haben würde. Ihr tragt die Schuld an ihrer Entehrung und unserer Verschleppung.«
    »Das nicht!«, rief der Mann und besudelte sie erneut mit Speicheltröpfchen. »Man mag mir anlasten, dass ich meiner Familie größtmögliche Bedeutung zu verschaffen suchte, um Präbenden und Privilegien vom König zu erhalten, und auch, dass Toda ihre Heiratspläne mit Arana nicht verwirklichen konnte. An ihrem und deinem Verschwinden jedoch trägt allein sie die Schuld.«
    María musste sich beherrschen, um sich nicht auf diesen zynischen Alten zu stürzen, der ihr ins Gesicht zu sagen wagte, ihre Mutter sei selbst schuld an ihrer Verschleppung.
    »Sie konnte nicht verschwiegen sein«, ereiferte sich Leguizamón, »und das Geheimnis deiner Geburt für sich behalten. Sie posaunte es lauthals heraus, sie war stolz darauf und erdreistete sich sogar, öffentlich darüber zu sprechen, als die Königin zu Besuch in der Stadt weilte.«
    María hörte wortlos zu.
    »Setzen wir uns.« Er wirkte sehr erschöpft. »Ich bin schon zu alt, um lange zu stehen.«
    Sie setzten sich auf ein Bänkchen, das an einer Mauer stand.
    »Ich gebe zu, meine Nichte Toda gezwungen zu haben, dem König zu Gefallen zu sein. Ich bitte dich nicht um Verständnis, doch ich hatte meine Gründe, so zu handeln. Vielleicht waren diese Gründe nicht ganz lauter, aber die Welt ist, wie sie ist.«
    »Oder so, wie einige sie machen«, setzte María kühl hinzu.
    »Ich selbst habe den König über deine Geburt in Kenntnis gesetzt«, fuhr der alte Tyrann fort, ohne den Einwurf zu beachten. »Don Ferdinand sorgte stets dafür, dass es dir an nichts mangelte, und niemand in Bilbao zieh deine Mutter eine Dirne. Die Menschen hier sind freien Geistes, und viele von ihnen sind außerehelichen Beziehungen entsprungen. Ich habe selbst einige natürliche Söhne und Töchter, und alle genießen ein sorgenfreies, geachtetes Leben. Der König bat darum, größtmögliche Diskretion zu wahren, und das ließ ich alle wissen, die es anging, darunter deine Mutter, deinen Onkel und deine Großmutter. Du wärst wie jedes andere junge Mädchen geschützt und geliebt von unserer Familie aufgewachsen, doch Toda…«
    »Wollt Ihr mich tatsächlich glauben machen, meine Mutter habe die Schuld daran getragen, dass brutale Männer gewaltsam in unser Haus eindrangen und uns von dort verschleppten?«, unterbrach sie ihn wütend.
    »Wohin wurdet Ihr gebracht?«, fragte Leguizamón plötzlich.
    »Ich in ein kastilisches Kloster und sie…« Der Schmerz machte es ihr unmöglich, weiterzusprechen.
    »Hat man Euch nicht an denselben Ort gebracht?«
    »Nein. Wusstet Ihr das etwa nicht?«
    »Es war mir gänzlich unbekannt«, beteuerte Leguizamón und wirkte ehrlich dabei.
    »Und Ihr habt Euch nie darum bemüht, unseren Aufenthaltsort ausfindig zu machen? Ihr, der Ihr Euch rühmt, um das Wohlergehen Eurer Familienmitglieder besorgt zu sein?«
    »Einige Zeit nach eurem Verschwinden stellte der König seine Zahlungen für euren Unterhalt ein. Ich habe tatsächlich nie gewagt, danach zu forschen, was aus Euch geworden ist.«
    Er schien zu bedauern oder zumindest unglücklich darüber zu sein, welche Wendung die Ereignisse genommen hatten, aber María ließ sich nicht überzeugen.
    »Weshalb sagtet Ihr, dass meine Mutter die Schuld an unserem Exil trüge?«, kehrte sie zum Thema zurück.
    »Im September des Jahres 1483 kam Königin Isabella nach Bilbao, um auf die Fueros zu schwören«, sagte der Mann, doch es klang eher, als hinge er laut seinen Erinnerungen nach. »Genau siebeneinhalb Jahre nach deiner Geburt…«
     
     
    Tristán de Leguizamón und alle Linienchefs der führenden biskayischen Familien warteten in Orduña darauf, Doña Isabella von Kastilien zu empfangen, die in die Grafschaft kam, um auf die Fueros zu schwören. Dem Anführer der Oñacinos fiel das majestätische Auftreten der Königin auf, die, obgleich von kleiner Statur, die Situation völlig beherrschte. Er hatte die Ehre, auf dem Weg von Orduña nach Bilbao an ihrer Seite zu reiten und ihre Fragen bezüglich der Angelegenheiten der Region und der bestehenden Zwistigkeiten zwischen den verfeindeten Parteien zu beantworten. Er schilderte seine Version der Ereignisse, rechtfertigte sein

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