Die Äbtissin
begann und mit Sonnenuntergang endete. Er war noch nie von zu Hause weg gewesen und diese Reise war für ihn ein einmaliges Erlebnis.
Sie erreichten Trujillo um die Mittagsstunde. Es war eine wundervolle Stadt, deren weiß gekalkte Mauern in der Sonne leuchteten. Mit ihren Palästen, Türmen, Festungen, den zahlreichen Kirchen und Klöstern, ihren Straßen, Gässchen und Plätzen, besonders aber der gewaltigen Plaza Mayor, wirkte sie wie aus einer anderen, längst vergangenen Zeit. Auf einem Hügel über dem Ort thronte das alte Kastell Pedros des Grausamen, in dem dieser seine unschätzbaren Reichtümer aufbewahrt hatte.
Martín Núñez zu finden war nicht schwer. Er war ein reicher Mann mit großen Besitzungen und bei den Leuten im Ort nicht eben für seine Liebenswürdigkeit bekannt. Sein Haus, ein kleiner Palast, befand sich in einer Straße, die den Namen Las Palomas trug. Ein riesiges, von blumengeschmückten Baikonen umgebenes Wappen nahm einen Großteil der Fassade ein, und die unteren Fenster waren mit Gittern versehen, die María kurioserweise an einen Kerker erinnerten. Sie ließ ihre Begleiter beim Wagen zurück, ging zu dem mächtigen, mit dicken Eisennägeln beschlagenen Tor und betätigte mit aller Kraft den Türklopfer.
Ein unfreundlich dreinblickender Diener öffnete die Tür. Sie gab ihm keine Gelegenheit, etwas zu fragen, sondern trug ihm auf, seinem Herrn ihren Besuch anzukündigen, wobei sie nicht ihren Namen nannte, sondern nur erwähnte, dass sie Äbtissin sei. Der Diener brummte etwas, das María nicht verstand, schlug die Tür zu und ließ sie wie einen Hausierer auf der Straße stehen. Wenig später öffnete sich die Tür erneut, der Mann streckte seinen kahlen Kopf hinaus und bat sie herein.
María war angenehm überrascht von dem blühenden, reinlichen Innenhof. Das Plätschern eines steinernen Springbrunnens mit einer Marmorstatue in der Mitte erfrischte die glühend heiße Luft, die erbarmungslos auf Mensch und Tier lastete. Mehrere Burschen waren mit einigen prächtigen Rassepferden beschäftigt, und eine Gruppe von Mägden enthülste Ähren im Schatten eines weit vorspringenden Balkons, der den Patio beherrschte. Sie konnte nicht verweilen, um das Bild zu betrachten, denn der Diener, der ihr voranging, verlangsamte seine Schritte nicht und verschwand durch eine der offenen Türen unter dem Balkon. Für einen Augenblick dachte sie, dass sie würde laufen müssen, wollte sie ihren Führer nicht verlieren. Allein bei der Vorstellung, mit gerafften Röcken zu rennen wie ein Bub, war ihr zum Lachen zumute, doch es blieb bei einem Lächeln. Unter diesen Umständen war es nicht angebracht, sich wie ein törichtes Mädchen zu benehmen.
Der Diener führte sie in einen Saal, öffnete die Läden eines der Fenster, die geschlossen waren, um die Fliegen abzuhalten, und nachdem er ihr bedeutet hatte zu warten, ging er hinaus und schloss die Tür hinter sich. Nach der Helligkeit draußen dauerte es eine Zeit lang, bis sich Marías Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es war ein ziemlich großer Saal, und die zahlreichen Deckenbalken verliehen ihm ein sehr solides Aussehen. Die wenigen Möbel waren schwer und gut gearbeitet. Die Wände waren über und über mit Waffen bedeckt: Lanzen, Schwerter, Degen, Krummsäbel, Keulen, Schilde und andere Instrumente, die sie nicht kannte, waren fein säuberlich nach Waffengattung und Größe geordnet. Es schien María, als stammten sie aus unterschiedlichen Epochen, doch genau wusste sie es nicht, da sie sich in der Materie überhaupt nicht auskannte. An den Scharten, die sie aufwiesen, war indes deutlich zu sehen, dass sie oft gebraucht worden waren.
Eine laute, wenig freundliche Stimme ließ sie zusammenzucken. Sie fuhr auf dem Absatz herum und wäre beinahe mit Martín Núñez zusammengestoßen. Sie hatte ihn nicht eintreten hören.
»Bewundert Ihr meine prächtige Trophäensammlung?«, fragte der Mann, und aus seiner Stimme klang Genugtuung. »Ich habe sie im Laufe meiner langen Soldatenjahre erworben.«
María konnte nicht antworten. Der Mann, der da vor ihr stand, maß über sechs Fuß, er trug lederne Hosen, ein Lederwams und hirschlederne Stiefel, die ihm bis zum halben Oberschenkel reichten. Das wallende, nahezu weiße Haar und der üppige weiße Bart waren von einigen feuerroten Strähnen durchzogen, die sich dem Alter verweigerten. María jedoch sah nur die blasse Linie, die sein Gesicht durchzog und unter dem Bart verschwand. Es war der
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